Driven: Audi TTRS von AVUS Performance

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Wenn in weniger als vier Sekunden die 100er-Marke fällt und die Nadel bis Tempo 310 rennt, dann verspricht das jede Menge Fahrspaß. Wir haben den 460 PS starken Audi TTRS aus dem Hause AVUS Performance auf die Probe gestellt und über die Straßen rund um Berlin geprügelt.


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Brutal bläst der deutlich zu vernehmende Turbo auf Angriff. Die fünf Kolben hasten mit Lichtgeschwindigkeit durch die Zylinder, liefern sich eine Infernalische Sound-Schlacht mit dem klappengeöffneten Auspuff-Verstärkerrohr Marke „Nachbars-Erzfeind“. Der überforderte Drehzahlmesser mahnt schon wieder im Blutroten Bereich zum Schalten. Das Kupplungspedal schlägt hart gegen das Bodenblech, der Schaltstock fliegt durch die Gasse. Das Adrenalin pumpt, die Schweißdrüsen arbeiten. Nur der Turbolader gönnt sich eine minimale Pause und atmet kurz aus – um dann wieder von vorne loszulegen. Dieses Mal aber wird er abrupt gestoppt, urplötzlich zieht ein Transporter vor dem Geschoss aus der Seitenstraße und verarbeitet den Avus Performance Audi TT-RS um ein Haar zu Kernschrott.

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Tarnkappenbomber mit Fünf-Zylinder-Waffe.

Man kann dem Transporterfahrer keinen Vorwurf machen. Sein Radar hat die mattschwarze Stealth-Flunder einfach nicht geortet. Ist der normale RS schon kein Kind von Understatement, so ist das Avus-Derivat die Krönung der teuflischen Boshaftigkeit. Durch simple, aber effektive Verbesserungen – etwas lauter, etwas tiefer, etwas breiter, ein bisschen größere Felgen (nicht am Testwagen verbaut) und ganz viel Mattschwarz. Fertig ist die Boden-Boden-Rakete. Doch das Kampfjet-Rezept beinhaltet Feinheiten, die jeden Koch einer Sportwagenschmiede entzücken ließen: Ein in Zug- und Druckstufe einstellbares Gewindefahrwerk von H&R (1200 Euro) zum Beispiel sorgt nebst geschundenem Rücken auch für Performancegewinn und optische Aufwertung.

Der Audi steht nun sehr tief in den Radhäusern, Räder und Karosserie wirken wie eine perfekte Symbiose zu einem einzigartigen Kunstwerk. Unterstrichen wird das Gesamtkonzept vor allem durch die auffällige mattschwarze Folierung. Hierfür verlangt Avus 1999 Euro. Zweifellos ist die „Farbe“ eines der Highlights am Fahrzeug – kein Wunder, dass sich dieser Trend aktuell so ausbreitet. Doch wer Avus Performance, Partner von Sportec, kennt, weiß, dass es damit nicht getan ist. Der Tuner serviert uns ein vorzügliches Hauptgericht, das mehr als nur das Sahnehäubchen darstellt: Der Motor wird richtig scharf Gewürzt! Der Wagen bekommt eine Edelstahl-Abgasanlage mit Sportkatalysator, eine veränderte Motorsteuerung und einen modifizierten Turbolader. Da ist natürlich Klar, dass es sich um eine Kalorien- pardon – Newtonmeterbombe handelt. Genauer gesagt kommen gewaltige 460 PS und 640 Newtonmeter Drehmoment heraus. Vergleich gefällig? Selbst der R8 V10 kommt nur auf fast lächerlich wirkende 530 Newtonmeter. Für dieses Hauptgericht muss man allerdings auch schon etwas tiefer in die Tasche greifen: Die sogenannte Stufe 3 von Avus schlägt mit ca. 10.000 Euro zu Buche (endgülige Preise ab Januar 2010).

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Gänsehaut – selbst für Profis
Doch wie fühlt sich dieses Gesamtkonzept in der Praxis an? Um eins gleich vorweg zu nehmen: An einen aktuellen Kampfjet kommt auch dieses Projektil nicht heran – aber in seiner Kampfklasse, dem Automobil, spielt es ganz vorne mit. Bereits bevor ein Meter zurückgelegt ist, fällt es dem Piloten schwer, sich in seiner professionellen Gelassenheit zurückzuhalten. Der doppeltönige Fünfzylinder sorgt mit seinem dunklen, markanten Grollen für aufgestellte Nackenhaare und einen kalten Schauer auf dem Rücken. Hier werden Erinnerungen an alte und glorreiche Kampfpanzer wie den Audi S2 oder den Ur-Quattro wach. Fast nebensächlich ist da zu erwähnen, dass das von Avus verbaute Renngestühl Marke Recaro perfekten halt bietet – auch bei mehrfachen G-Kräften. Sofort wird klar: Minimalismus und Funktion geht vor Schnick-Schnack und Gedöns. Stoff vor Leder. Racing vor Show-Off. Perfekt! Man könnte sagen: fast schon schade, dass da das restliche – zugegebenermaßen nahezu Perfekte – Cockpit unangetastet bleibt, um einer breiten Käuferschaft zu entsprechen. Immerhin verspricht Avus, das Interieur in Kürze noch mit Carbon aufzuwerten.

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Ready for Take-off
Doch genug von der Pilotenkanzel. Flugs wird die knackig-direkte Sechsgang Handschaltung in den ersten gepresst. Bereit zum Abheben. Die „Start“-Klappen befinden sich hier allerdings nicht am Flügel (fest montiert), sondern im Auspuff. Der ist längst geöffnet. Drehzahl halten, noch kurz den Sound genießen, und dann Abflug: Kupplung los bedeutet Kopf nach hinten. Und TTRS nach vorne. Wie mit einem unsichtbaren Afterburner brennt sich der Audi in den Asphalt und dann Richtung Horizont. Nur kurz ringen alle vier Reifen um Traktion, dann ist der Kampf gegen die Physik gewonnen. Hat man sich gerade erst wieder im Sitz sortiert, sind bereits die 100 km/h verstrichen – als Zahl heißt das: Sprichwörtlich markerschütternde 3,8 Sekunden vergehen für den Sprint. Da muss selbst Audis Platzhirsch, der R8 V10 passen (3,9 Sek). Und es geht weiter. Unaufhaltsam. Dafür sorgt auch der wundervoll penetrante Turbo, der bereits ab 2200 u/min böse zischelnd und bis 7000 Umdrehungen hochtonpfeiffend für die Längsverschiebung meiner Gesichtsfalten sorgt. Trotzdem reicht es leider nicht ganz für die Schallmauer, aber auch 310 km/h sind schon ein beachtlicher Spitzenwert (Serie 280 km/h). Das serienmäßige Flügelwerk hilft, dass der Tarnkappenbomber nicht abhebt, drückt ihn stattdessen derbe gen Erdmittelpunkt. Leider nimmt er das ab und an etwas zu ernst: Ein leichtes schleifen der Räder bei starkem Einfedern erinnern den Fahrer daran, dass er eben fährt und nicht fliegt.

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Kompromisslos?
Apropos fahren: Das gestaltet sich zu jederzeit angenehm, nicht fordernd. Bis auf das sportlich ausgelegte Fahrwerk, das kurze Stöße direkt weiterleitet und für zart besaitete Naturen möglicherweise zu extrem ausfällt, ist der TTRS zu jederzeit voll alltagstauglich. Er ist zwar Laut, aber nicht zu laut. Hart, aber nicht zu Hart. Direkt, aber nicht zu Direkt. Genau richtig für diejenigen also, die Kompromisse eingehen können – aber eben nicht zu viele. Mein Kompromiss bezieht sich gerade auf etwas Materielles: meinen Führerschein. Zu verlockend sind die Kurven, die sich vor mir auftun. Zu schnell durchbricht der RS die 100-km/h-Grenze. Der Spaß siegt, die Stvo verliert. Und der Audi meistert die prekäre Situation souverän: Schnelle Kurven durcheilt er Allrad-Typisch wie vorausbestimmt, auf den Millimeter. Nur bei Lastwechseln und engeren Kurven macht sich seine Kopflastigkeit bemerkbar. Dann drückt es ihn etwas nach außen, Antriebseinflüsse werden spürbar. Der Antrieb kämpft und streitet sich – wohin mit all den Pferden, wohin mit all dem Drehmoment. Er entscheidet sich für „bloß nicht zu viel Leistung hinten“. Eine kluge Entscheidung, denn sonst wären vor Ende dieses Satzes höchstwahrscheinlich 50% am Baum rechts geendet (Entwarnung: das eingeschaltete ESP regelt zu jeder Zeit souverän). Fürs berühmte letzte Quäntchen reicht es dadurch leider nicht. Wohl aber für etwas günstigere Versicherungseinstufungen.

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Mein Feind die Bremse
All diese Vernunft bei der Kraftverteilung vaporisiert sich aber, sobald man auf die Bremse tritt. Ein Ortsschild tut sich auf. Der Führerschein hängt im Gedächtnis. Ich will die Tarnkappenfähigkeit des TTRS nicht auf die Probe stellen. Also rauf auf das mittlere Pedal. Ein Fehler. Was jetzt passiert lässt sich ungefähr so beschreiben: Der Beifahrer versucht zu Fluchen, kämpft aber mit Schwerkraft und Gurtstraffer. Das Blut schmeißt sich Samt Gehirn und Kopf von ganz hinten nach irgendwo gefährlich nah Richtung Windschutzscheibe. Die Hände verkrampfen – zum Glück – denn das Lenkrad verlangt einzig in dieser Situation nach einer festen Hand. Quicklebendig tänzelt der RS freudig von links nach rechts und wieder zurück und tut eher nebenbei das, was er auch noch soll: brachial Verzögern. Grenzwertig für nichtsahnende, fast schon spaßfördernd für Geübte. In jedem Fall aber: unangenehm für den Beifahrer. „Warne mich bitte nächstes mal vor“, raunt er mir zu. Immerhin: Der TTRS könnte auch ohne Bremshaken auf einem Flugzeugträger landen. Bremstest bestanden.

Bleibt also nur noch die Frage: ist dieses Auto sinnvoll?
Absolut. Die Lenkung arbeitet noch etwas zu Leichtgängig, wofür Avus nichts kann. Die Freigängigkeit der Reifen sollte grade bei harten Trackdays überprüft werden. Im Alltag sollte man sich außerdem an das manchmal auftretende herrlich motorsportartige Quietschen der Bremsen gewöhnen – und kenntnislose Mitbürger einfach nett Belächeln. Wer all das verkraften kann, findet im Avus Performance TTRS eine wunderbare und günstige Alternative zu Porsche 911/ Audi R8 und besitzt zugleich etwas Einzigartiges. Nur die USA dürften als wichtiger Kunde wohl wegfallen. Es sollen vom Verteidigungsminister keine Bestellungen eingegangen sein. Die Tarnfähigkeit dieser Waffe habe einen Fehler, so heißt es – man hört sie schon von mehr als einem Kilometer Entfernung.

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Das scheint den Menschen im fernen Osten hingegen besonders wichtig zu sein. Laut Avus werden viele der schwarzen Biester ins dortige Ausland verkauft. Doch auch wer keine Ölquelle auf seinem Privatgrundstück besitzt, muss noch nicht alle Hoffnung aufgeben: Avus bietet aktuell für alle Nachwuchs-Batmans ein gebrauchtes Modell dieses Überfliegers an. Bitte nur an Kreuzungen aufpassen: Sie könnten übersehen werden.