Calvin Leander

Im Test: Volvo V40 T5 mit Polestar Parts

Das kommt davon, wenn man dem Chefredakteur nicht genau zuhört und nur zwei elektrisierende Worte aus dem Gespräch selektiv raushört: Volvo Polestar. Oh ja, wer erinnert sich nicht, als 2010 die schwedischen Tuner mit dem C30 Polestar Performance Concept mit über 400 PS um die Ecke bogen? Ganz klar, auf den Redaktionsparkplatz kann nur, nein muss der neue V60 Polestar mit 367 Turbo-Kompressor-PS rollen! Doch erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Auf der Auftragsbestätigung stand dann nämlich: „Volvo V40 T5 mit Polestar Parts“. What? Kann der was? Hat der Dampf? Allrad? Beides? Da hilft nur eins: Recherche!

Und hier liegt schon die erste Herausforderung: die Integration des seit 2015 offiziellen Werkstuners Polestar im Onlineauftritt der Marke ist noch – sagen wir mal vorsichtig ausgedrückt – etwas unübersichtlich. Um also herauszufinden, was ein V40 T5 mit Polestar Parts ist, benötigt man schon ein paar Klicks, um über www.volvocars.com/de zum Seitenende des V40 Zubehörprogramms zu gelangen, wo tatsächlich ein erster Hinweis zum Tuning Angebot für den schwedischen Kompakten zu finden ist. Ein Linkout führt dann zu einer Volvo Polestar Seite, um von dort dann endlich über „Modell und Motorisierung finden“ auf der internationalen Polestar Seite zu landen. Doch da reibt man sich nach ein paar weiteren Klicks verwundert die Augen: Leistungssteigerung um 8 auf 253 Pferdestärken – für 1.199 Euro? Damit liegt der 2,0l Vierzylinder des T5 gerade einmal knapp auf dem Leistungsniveau seines Vorgängers (254 PS), der bis Mitte 2014 den charismatischen Fünfzylinder Motor besaß. Und Allradantrieb? Gab es nie für den normalen V40 und wird es auch weiterhin nur für die hochbeinige Cross Country Variante geben.

Als dann der meistverkaufte Volvo in Europa in seiner frisch gelifteten und stärksten Form bei uns auf den Parkplatz rollt und uns mit seinen schicken „Thors Hammer“ Scheinwerfern anfunkelt, macht sich erneut Verwunderung breit. Dies soll das Sportmodell sein? Ok, die 235/35er Pirelli P-Zeros auf den schicken 19“ Polestar Felgen stehen dem Schweden wirklich gut und Dank des Polestar Komplettfahrwerks (nein, leider nicht das feine Öhlins Fahrwerk aus dem V60) hat der Fünftürer auch wirklich Stance. Aber wo ist das R-Design Paket bei unserem Testwagen geblieben? Tja, außer ein paar Polestar Gurney Flaps am Dachkanten Spoiler wird bei der höchsten Ausstattungslinie „Inscription“ keine Sportlichkeit zur Schau gestellt. Also ein Wolf im Schafspelz?

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Versuch macht klug, darum rein in den 40er und kurz Innehalten, um das typische Volvo Wohlfühlmoment zu genießen. Ja das können Sie, die Schweden: Materialmix und Anmutung sind hervorragend. Das hellbeige Leder, die Holzintarsien und selbst die Narbung der Kunsstoffflächen laden zum Verweilen ein. Aber Sportlichkeit findet man auch hier nur mit der Lupe: auf dem Schaltknauf steht „Polestar“. Unabhängig von den fehlenden sportlichen Attributen hat sich mit dem Facelift nichts im Innenraum getan. Wozu auch? Denn die Ergonomie passt und hat man sich an das Bedienkonzept in der freischwebenden Mittelkonsole erst einmal gewöhnt, kommt man durchaus zügig in das richtige Menü. Nur am 7“ kleinen Farbdisplay merkt man, dass der V40 nicht mehr ganz auf der Höhe der Zeit ist. Besonders, wenn man bereits die schwedische Zukunft gefahren ist: den XC90 mit seinem sensationellen 9“ Touchscreen.

Also Motor zünden und den Schaltknauf auf D schieben. Nein Schalter gibt es für das V40 Topmodell nicht, was aber keine Schande ist, denn im T5 werkelt eine feine 8-Gang Wandlerautomatik. Das überrascht, denn in dieser von Doppelkupplern dominierten Klasse glänzt der Schwede somit durch geschmeidige Gangwechsel. Doch wirklich sportlich ist das eben auch nach dem Polestar Eingriff zur Schaltzeitoptimierung nicht. Denn wenn man an den Paddels hinterm Lenkrad zupft, dauert speziell das Runterschalten auch im Sport Modus gefühlt eine kleine Ewigkeit. Wenn dann die nächstkleinere Gangstufe jedoch zur Verfügung steht, reissen statt 350 jetzt 400 Newtonmeter an der Vorderachse, die auch auf kurvigem Geläuf Dank Corner Traction Control gut auf den Asphalt zu bringen sind. Aktiv ist Volvos Torque Vectoring System bis 90 km/h, was in der Regel ausreicht, um ohne Traktionsverlust aus engeren Kurven herausbeschleunigen zu können. Leider animiert die sehr leichtgängige und etwas gefühllos wirkende Lenkung nicht wirklich zur Kurvenhatz und auch das verbaute Sportfahrwerk kann sich nicht entscheiden, was es sein will. Auf Querfugen stuckert es, doch beim Wedeln von Scheitelpunkt zu Scheitelpunkt lässt es die notwendige sportliche Härte vermissen.

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Der Leser merkt, wir bashen auf dem Volvo V40 T5 mit Polestar Parts ziemlich rum, wenn es um seine fahrdynamischen Fähigkeiten geht und das, obwohl er in 6,2 Sekunden auf 100 km/h sprintet und 240 km/h Spitze rennt. Doch es ist das Schicksal dieses Fünftürers, dass er ausgerechnet mit dem eher halbherzigen Polestar Upgrade versucht, in einem Gefilde zu wildern, das einfach zu gut besetzt ist. Denn wer Sportlichkeit bei den Kompakten sucht, wird zum Beispiel mit einem Golf GTI Clubsport nicht nur dynamischer, sondern auch günstiger bedient. Unser Schwedenhappen hatte nämlich ein happiges Preisschild von knapp 57.000 Euro umhängen. Und selbst, wenn man sich auf die reinen Sportkomponeneten konzentriert, kommt man nicht unter 45.000 Euro beim Volvo Händler aus dem Showroom.

Ist der V40 daher ein überteuertes und undynamisches Auto? Gewiss nicht, doch Volvo sollte überlegen, ob man den so elektrisierenden Namen Polestar im Kompaktsegment mit den angebotenen „Performance Parts“ verbrennen sollte. Dass Volvo und Polestar wissen, wie man wirklich mit einem Auto auch Petrolheads begeistert, zeigt der eingangs erwähnte V60. So lautet die evocars Empfehlung für den T5: auf das Polestar Tuning verzichten und den V40 als gut motorisierten Cruiser und interessante Alternative zum Deutschen Premiumeinheitsbrei wählen und genießen.

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Bilder: Calvin Leander