EVOCARS

Maserati Quattroporte S Q4 im Test: la dolce vita!

Ein Espresso aus der Bialetti, das Radio spielt „Cose della vita“, die Sonne blinzelt am Horizont und spiegelt sich im Tridente. Die Morgen mit dem Maserati Quattroporte beginnen immer mit diesem Ritual im Kopf, da kann es draußen noch so kalt und windig sein. Ein italienisches Auto ist ein Maserati ist ein italienisches Auto. Und wer sich ein wenig seiner Phantasie hingeben kann, fühlt sich spätestens beim Einsteigen schon – je nach Wohnort – um einige hundert Kilometer in den Süden Europas versetzt.

Er ist ein Schönling unter den Luxuslimousinen, wie auch schon sein Name außergewöhnlich klingt. S-Klasse, A8 oder Siebener sind doch nur gedankenlose Aneinanderreihungen von Buchstaben und Ziffern. Bei Quattroporte hingegen klingt der Singsang einer der schönsten Sprachen der Erde gleich mit und vermittelt Emotionen, ohne dass man das Auto passend zum Namen gesehen haben muss. Das können die Italiener und das Design des Viertürers macht da keine Ausnahme, auch nicht in seiner mittlerweile sechsten Generation. Zwar – das müssen wir ungeniert zugeben – kann sie dem Vorgänger (eine der Limousinen schlechthin und regelmäßig Traum unserer schlaflosen Nächte) nicht das Wasser reichen, zeigt aber doch, dass 5,30 Meter Karosserie elegant verpackt werden können. Und zwar ohne gleich in barocke (vermeintliche) Eleganz oder kastenförmigen Einheitsbrei zu verfallen. Auf welchen der Konkurrenzhersteller diese Attribute zutreffen, kann nun jeder für sich entscheiden.

Selbst in der Modefarbe Weißmetallic wirkt die lange Limousine zierlich, wohl proportioniert und beschwingt leicht, dass es jedes Mal aufs Neue eine Freude ist, auf sie zuzugehen. Und diese Freude setzt sich glücklicherweise im Innenraum fort. Hochwertigste Materialien wechseln einander ab, das offenporige Holz ist eine Schau, es konkurriert allenfalls mit den schwarzen Seideeinsätzen auf Sitzen und Türverkleidungen sowie dem fein gestickten Dreizack auf allen vier Kopfstützen. Chrom akzentuiert die Luftausströmer und die Analoguhr gekonnt, ohne gleich kitschig zu wirken, den Rest erledigen die rundum bestens verarbeiteten Kuhhäute. Italienischer Lifestyle at it’s best, man ist gleich versucht, zur Ray Ban zu greifen und den Arm lässig auf die Fensterbrüstung zu legen. Da fällt es auch nicht so schwer ins Gewicht, dass der große Touchscreen bei Sonneneinstrahlung nur mühsam abzulesen ist und der Radioempfang mehr schlecht als recht ist.

Denn obwohl der Quattroporte hauptsächlich nicht für den fahraktiven deutschen oder italienischen Markt, sondern eher für den Markt der Chauffeurlimousinen in Fernost oder den USA konzipiert wurde, macht er den Selbstfahrer von Welt an, auf den Platz vorne links zu gleiten und dem Dreiliter V6 im Falle des SQ4 die Sporen zu geben. Dieser bellt beim Kaltstart einmal kurz auf, lässt aber ansonsten mehr als vornehme Zurückhaltung erkennen. Etwas zu viel Zurückhaltung für unseren Geschmack aber andererseits ein anständiger Gegenpol zu den oftmals sehr krawalligen AMG-Brüdern aus dem Schwabenländle.

Wer das Ausparken gemeistert und die ersten langsamen Kurven im Wohngebiet nimmt, wird sich möglicherweise über leichte Verspannungen im Antriebsstrang wundern, die etwas an die Allradantriebe aus den Achtzigern erinnern. Oh ja, der Quattroporte wird in unserem Fall von allen Vieren angetrieben. Ansonsten gibt sich der Italiener aber unauffällig und macht bereits auf den ersten Metern einen mehr als handlichen Eindruck.

Das ist einer, der sich auch auf der zügigen Landstraßenetappe bestätigt. Überraschend zackig folgt die Vorderachse dem Lenkbefehl, der Quattroporte lässt sich zielgenau positionieren und ist auch bei schnellen Kurvenfolgen bestens neutral abgestimmt. Untersteuern? Beinahe Fehlanzeige, stattdessen drängt das schicke Heck mehr als einmal nach außen, wird aber vom spät, aber konsequent regelnden ESP eingefangen. Die Lenkung meldet dabei sehr ordentlich zurück und wirkt bei weitem nicht so synthetisch oder künstlich schwergängig wie andere Produkte in dieser Klasse, bei denen es sich ausschließlich um die weitestgehende Entkoppelung aller Sinneseindrücke zu drehen scheint. Und auch das Fahrwerk macht eine mehr als gute Figur – solange es nicht im Comfort-Modus nur geradeaus gehen soll. Doch dazu später mehr. Insgesamt setzt der Quattroporte, man darf gerne staunen, auf der Landstraße eine beachtenswerte Duftmarke.

Zur flotten Fahrt auf der Landstraße, die sich in unserem Tagtraum selbstverständlich auch immer im hügeligen Hinterland der Toskana und nicht etwa zwischen Frankfurt und Groß-Gerau befindet, passt auch der 2,9 Liter große V6 Biturbomotor. Der ist nämlich mit seinen rund 410 PS (ab dem nächsten Modelljahr hat er 430) nicht ganz so schnell an der Grenze des nach StVO machbaren angelangt. Seine Leistung ist schön dosierbar, da sie nicht überfallartig einsetzt, sondern mit steigender Drehzahl fein portioniert an die beiden Antriebsachsen geleitet wird. Dabei unterstützt vortrefflich der von ZF eingekaufte Achtgangautomat, der bei Bedarf auch über die beiden feststehenden Schaltwippen aus Aluminium bedient werden kann. Was aber nur bei sehr sportlicher Gangart von Nöten ist. Ansonsten lässt das Getriebe kaum einen Wunsch offen, schaltet spontan herunter und geschliffen herauf, setzt auch Befehle per Schaltwippe oder -hebel sofort in die Tat um.

Fleißige Schaltarbeit ist allerdings gefordert, wenn es denn auf der Autostrada mal pressieren sollte – was mit einem Maserati in Italien gelegentlich vorkommen darf. Denn im lang übersetzten achten Gang verliert der V6 zwischen Richtgeschwindigkeit und der 200er-Marke ein wenig die Lust. So bemüht man desöfteren den Kickdown, um das beachtliche Drehmoment auch spüren zu können – spätestens an der Zapfsäule war es soweit. Doch auch das Fahrwerk schien ab und zu von hohen Autobahngeschwindigkeiten etwas überfordert und vermittelte durch unschöne Horizontalbewegungen an der Hinterachse auf schlechtem Untergrund zu wenig Vertrauen. Was sich durch das Einstellen des sehr harten Sportmodus vermeiden ließ, doch dafür musste sodann jeglicher Anspruch an Komfort weichen. Was die Hinterbänkler dann wiederum nicht so gut fanden, schwelgten sie doch gerade im Luxus, mit übereinandergeschlagenen Beinen wohlgefedert ihre Tageszeitung zu lesen.

Fazit

Es ist also abermals ein Auto für Individualisten geworden, der Maserati Quattroporte der sechsten Generation. Ein Auto, das für den deutschen Markt der Selbstfahrer ansich schon zu groß ist, sich aber vorne links ganz und gar nicht danach anfühlt. Ein Auto, das eine gewisse Ausstrahlung und einen Charakter hat, das man auch als Chauffierter hinten rechts nehmen muss, wie es ist. Mit seinen Eigenarten, aber auch mit seinem italienischen Chic, den nicht jeder tragen kann. Und das ist gut so. Es ist ein echter Maserati. Und wir hatten schon die Befürchtung, dass es nur ein Traum war.

Galerie
Technische Daten*

Modell: Maserati Quattroporte S Q4
Motor: Sechszylinder-V, Bi-Turbo, 2.979 ccm
Leistung: 410 PS (301 kW) bei 5.500 U/min
Drehmoment: 550 Nm zwischen 1.750 und 5.000 U/min
Antrieb: Allradantrieb, Achtgang-Automatikgetriebe
Verbrauch (ECE): 9,7 l SP 100/100 Km
Beschleunigung (0 – 100 Km/h): 4,9 s
Höchstgeschwindigkeit: 283 Km/h
Abmessungen (L/B/H): 5,26 m/1,95 m/1,48 m
Gewicht: 1.920 Kg
Grundpreis: 111.000 Euro
Typklassen (HP/VK/TK): 18/33/33

*Herstellerangaben