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Opel Insignia Turbo 4×4 im Test: der letzte Wurf von GM

Es ist ein bemerkenswertes Gefühl, momentan einen Opel Insignia zu fahren. In Zeiten, in denen es Opel – wieder einmal – nicht besonders gut geht. In Zeiten, in denen der neue französische Eigentümer PSA vom Verkäufer GM eine stattliche Summe des Kaufpreises zurückfordert – unter anderem aus genanntem Grunde. Und der Insignia nunmal das letzte Modell ist, das unter Regie der Amerikaner tatsächlich auf den Markt gebracht wurde, denn über den Ampera-e möchte man ja so schnell es geht den Mantel des Schweigens decken. Und da kann dann halt schonmal ein Quäntchen Wehmut mitschwingen, wenn man im neuen Insignia sitzt – vor allem, weil man nicht weiß, was nun kommen wird und vor allem: wie es kommen wird, für Rüsselsheim. Was nicht heißen soll, dass es partout schlecht ist, was PSA nun vor hat, nur eben: anders. Und Neuerungen schätzt der Deutsche ja bekanntlich wie der Teufel das Weihwasser.

Eines dürfte, wenn auch nur unter vorgehaltener Hand, bereits klar sein: der Insignia steht so, wie wir nun in ihm sitzen, auf der Abschussliste. Da können Flottenabnehmer und Dienstwagenkunden noch so betteln, er nutzt eine GM-Plattform und die zu halten, dürfte auf lange Sicht deutlich zu teuer werden für die umfangreichen Sanierungspläne, die CEO Lohscheller mit den Franzosen bis 2020 vor hat. Bis auf Weiteres dürfen wir uns aber an der großen Limousine erfreuen, die eben auch zeigt, dass so schlecht nicht alles war unter Führung der Amis. Zumindest nicht ihre Autos.

Bereits die großzügigen Platzverhältnisse vorn und hinten stimmen versöhnlich, lediglich die abfallende Dachlinie macht es Personen über 1,90 auf den hinteren Plätzen etwas schwerer als in konventionell gezeichneten Limousinen. Die Sitzbank dort ist tief eingebaut, was zwar für einigermaßen Kopffreiheit sorgt, dafür aber beim Einstieg hinderlich ist. Schön hingegen die daraus resultierende große Heckklappe des Fließhecks, die gemeinsam mit den umklappbaren Rücksitzlehnen eine große und beinahe kombiähnliche, perfekt beladbare Fläche schafft. Und vorne? Dort sitzt man annähernd perfekt auf den vielfach einstellbaren und fein vernähten Ergonomiesitzen samt Massagefunktion und ausziehbarer Schenkelauflage. Wobei sie samt der schicken dunkelbraunen Lederausstattung – so viel sei dazugesagt – ganze 2.820 Euro extra kosten, diese Investition aber allemal wert sind.

Wer Wert auf druckvollen Vortrieb legt, kommt im Motorenprogramm am stärksten Benziner nicht vorbei. Dies ist in Ermangelung des 2,8-Liter großen Sechszylinders – Fans des verflossenen Insignia OPC werden ihm zurecht nachtrauern – ein zwei Liter großer Turbobenziner mit vier Zylindern und 260 PS, die er ohne Ausnahme an alle vier Räder über eine neu entwickelte Achtgangautomatik von Aisin weitergibt. Bei Bedarf liegen bis zu 400 Newtonmeter an. Zum Vergleich: der größte Diesel liefert aus ebenfalls zwei Litern Hubraum 210 PS und 480 Newtonmeter Drehmoment.

Die künftigen Käufer des Benziners müssen sich aber vor ihren Kollegen mit dem alten V6 nicht allzu sehr grämen. Denn der Vierzylinder macht seine Sache im immerhin 1,7 Tonnen schweren Insignia mehr als ordentlich und klingt sogar nach etwas, das sich ein wenig mehr als lediglich zwei Liter Hubraum anhört. Den Klang im Innern haben die Soundingenieure aus Rüsselsheim gut hinbekommen! Am Antritt gibt es wenig zu meckern: druckvoll geht es aus dem Drehzahlkeller voran und überraschend freudig dreht der Turbo gen Drehzahlbegrenzer. Wer es darauf anlegt, vollführt den Sprint auf 100 Km/h in immerhin 7,3 Sekunden, die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 250 Km/h. Doch oberhalb von 220 tut sich der Deutsche mit amerikanischen Wurzeln denn doch etwas schwerer.

Auf unserer zweiwöchigen Testfahrt verfestigte sich jedoch der Eindruck, dass ein Stück der Power im nicht ganz so souveränen Automaten verpufft. Das Getriebe, das uns im kurz zuvor gefahrenen MINI Clubman so sehr überzeugte, dass wir fest davon ausgingen, es sei ein anderes, missfiel im Opel mit ab und an ruppigen Schaltvorgängen und teilweise unnötig langen Schaltpausen bei manuellen Eingriffen. Im Normalbetrieb noch vollkommen unauffällig, wechselte es bei sportlicherer Gangart automatisch etwas zu hektisch in kleinere Gänge, anstatt souverän mit dem vorhandenen Drehmoment zu spielen. Meckern auf hohem Niveau? Vielleicht. Aber Opel will genau auf diesem Niveau mitspielen. Da fallen dann mitunter leichte Knarzgeräusche aus dem mit Kunstleder verkleideten Armaturenbrett gleich negativ auf.

Hohem Niveau entspricht hingegen voll das Fahrwerk, dem der Spagat zwischen Komfort und Sport annähernd meisterlich gelingt. Per Tastendruck auf Sport oder Tour kann der Fahrer zwischen den einzelnen Modi hin- und herswitchen, wobei sich der Tour- respektive Normalmodus für sämtliche Fahrten empfiehlt, in denen es nicht auf sportliche Höchstleistungen ankommt. Ruhig rollt der Insignia ab, federt komfortabel über alle möglichen Fahrbahnzustände hinweg und was von den Stoßdämpfern nicht abgefangen wird, absorbieren die vorzüglichen Sitze. Geht es hingegen auf die Landstraße, ist der Sportmodus gefragt. Das Fahrwerk wird deutlich knackiger, die Lenkung arbeitet mit spürbar mehr Widerstand und gibt nun schön Meldung vom Fahrbahnzustand, ohne dabei hektisch zu wirken. Und sie bleibt von einer künstlichen Versteifung zum Glück verschont. Wobei letzteres vielleicht auch daran liegen mag, dass sie im Normalmodus vergleichsweise lasch und wenig feinnervig agiert.

Nennenswerte Rückmeldung verdient dafür der Verbrauch des Insignia 4×4 Turbo. Für eine allradgetriebene Limousine mit 260 PS gehen durchschnittlich 8,8 Liter Superbenzin vollkommen in Ordnung, wobei wir auf der Langstrecke den Verbrauch auf 6,9 Liter drücken konnten, im häufigen Kurzstreckenbetrieb bei niedrigen Temperaturen dafür bei etwa 11 Litern landeten. Damit überschritt der Rüsselsheimer die Werksangabe lediglich um 0,2 Liter. Und übertraf – nebenbei – unsere Erwartungen.

Fazit

Denn das, was General Motors in seinem letzten Wurf aufgefahren hat, ist eine Wucht. Der neue Insignia ist ein vielseitiges Auto geworden. Allerlei technische Schmankerl wie das detailreiche Head-Up-Display (995 Euro), das man so auch aus der Corvette kennt, LED-Matrix-Scheinwerfer (Serie), Assistenzsysteme en masse samt perfekt arbeitendem Abstandsradar und nicht zuletzt der mehr als gute Fahrkomfort machen aus dem Insignia ein Angebot, das man fast nicht ablehnen kann. Wir sagten ja bereits am Anfang, dass ein Stückchen Wehmut mitfährt. Denn das zu toppen ist der Anspruch, mit dem sich die Opelaner nun auseinandersetzen müssen.

Technische Daten*

Modell: Opel Insignia Grand Sport 2.0 Turbo
Motor: Vierzylinder-Reihe, 1.998 ccm
Leistung: 260 PS (191 kW) bei 5.300 U/min
Drehmoment: 400 Nm zwischen 2.500 bis 4.000 U/min
Antrieb: Allradantrieb, Achtgang-Automatikgetriebe
Verbrauch (ECE): 8,6 l S 100/100 Km
Beschleunigung (0 – 100 Km/h): 7,3 s
Höchstgeschwindigkeit: 250 Km/h
Abmessungen (L/B/H): 4,90 m/1,86 m/1,46 m
Gewicht: 1.649 Kg
Grundpreis: 41.500 Euro
Typklassen (HP/VK/TK): 15/25/23

*Herstellerangaben