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Finale: das Maserati GranCabrio im Fahrbericht

Wer noch einen der letzten echten Saugmotor-Maserati mit acht Zylindern als Neuwagen ergattern wollte, dem müssen wir nun leider entgegenschleudern: Pech gehabt! Seit etwas mehr als vier Wochen werden sowohl Maserati GranCabrio als auch GranTurismo nicht mehr hergestellt. Wir wollten es trotz alledem noch einmal spüren: die Kraft eines der letzten V8-Sauger, den Klang, die Emotionen, die Fahrfreude, die in dieser Form eben nur ein Italiener bieten kann. Denn da kann vieles kommen, doch wenn man in der Früh den 4,7 Liter großen Achtender (mit herkömmlichem Zündschlüssel) startet, schütten selbst wenig autoaffine Mitmenschen erstmal Mengen an Glückshormonen aus.

Hat man es sich in den vielfach verstellbaren und lederbezogenen Clubsesseln bequem gemacht, erlebt man im Maserati GranCabrio die Perfektion des italienischen Motorenbaus. Ursprünglich saß im 2007 vorgestellten GranTurismo ein 4,2 Liter großer Achtzylinder mit 405 PS, für das schwerere Cabriolet durfte es im Jahre 2009 allerdings stets der kräftigere 4,7-Liter-V8 mit mindestens 440 PS sein – hier überdies immer gekoppelt an ein Sechsgang-Automatikgetriebe aus dem Hause ZF. In unserem Testobjekt aus dem allerletzten Modelljahr führt ebenjener Vierkommasiebener mit nunmehr 460 PS sämtlichen vom Downsizing geplagten 4.0-Biturbo-Achtzylindern vor, was die Begriffe Ansprechverhalten, Sound und Drehfreude eigentlich bedeuten.

Führen wir das knapp zwei Tonnen wiegende Pininfarina-Kunstwerk hinaus aus der von Eisdielen gesäumten Dreißiger-Zone auf die freie Landstraße. Denn auch wenn so mancher ob der technischen Daten dem GranCabrio jegliche Sportlichkeit absprechen wird, so belehrte es auch uns einmal mehr eines Besseren: mit unerwarteter Spontaneität und Präzision reagiert die Vorderachse auf die ersten vorsichtigen Versuche, den Kurvenscheitel zu treffen. Das konventionelle Fahrwerk gewinnt mit zunehmendem Tempo den Kampf gegen das Gewicht, der weit hinten montierte Motor sorgt für eine gute Verteilung der vielen Kilos. Schaltet man mit der herrlich sämigen Sechsgangautomatik (wer braucht eigentlich mehr Fahrstufen?) – untermalt von Zwischengasklängen – zwei Gänge zurück, erlebt man am Kurvenausgang zwischen Leerlauf und Drehzahlbegrenzer die meisten unterschiedlichen Klangfarben, die ein Achtzylinder kreieren kann: von zurückhaltend und basslastig bis hin zum kreischenden Italo-Pop ist alles dabei, was man sich vorstellen kann. Schöner – oder besser: anders – klingen höchstens großvolumigere V8 aus den USA.

Über deren Drehmomentdruck von unten raus verfügt der Maserati zwar nicht. Er generiert seine Kraft mehr aus der Drehzahl. Und doch ist man in den seltensten Fällen langsam unterwegs, wenngleich die Längsdynamik auch nicht das Kapitel ist, das man mit dem GranCabrio problemlos gegen ebenfalls starke Kaliber gewinnt. Für den Fight um die ersten Plätze an der Ampel ist der Italiener allerdings schon aus einem anderen Grund der Falsche: es gehört sich einfach nicht. Am besten kann das GranCabrio das, wonach der Name bereits klingt: die ausgedehnte Cruising-Tour am Wochenende oder an Feierabend. Ohne die störende Umwelt, zu Zweit zum Italiener am lauen Sommerabend, dem Sound lauschen, die Abendsonne genießen. Keine Hektik.

Zu diesem Credo passt der opulente Innenraum, der liebevoll mit Kuhhaut verkleidet und mit weißen Ziernähten bestickt wurde. Dazu gibt’s Carbon, auch wenn wir eher Holz geordert hätten, doch das Carbon-Lederlenkrad alleine ist eine Schau für sich. Analoge Instrumente teilen sich den Platz mit einem kleinen Display in der Mitte, ein herkömmlicher Zündschlüssel herrscht über den Motor und wir finden auch das Multimediasystem, das sehr schnell arbeitet und auf Eingabebefehle reagiert, nicht von schlechten Eltern. Lediglich die Navigationskarte könnte etwas moderner gestaltet sein, doch ein Maserati-Fahrer weiß ja in der Regel, wo es langgeht.

Und er wird auch wissen, dass sich er und seine Urlaubsgespielin bei der Wahl der Kleidung werden einschränken müssen, sollte es denn doch einmal auf große Urlaubsfahrt gehen. Oder anders gesagt: die Kasse sollte das für Anzug und Abendkleid notwendige Kleingeld schon noch hergeben, denn mitnehmen kann man diese im GranCabrio nicht. Dafür ist der „Kofferraum“ viel zu knapp dimensioniert. Ein Problem, das sich der große Maserati mit seinem Vorgänger teilt, der war allerdings auch deutlich kompakter gezeichnet. Vermutlich geht der gewonnene Platz für das mehrlagige Stoffverdeck drauf, das sich für sein Origami mehr als ausreichend Zeit nimmt und nur im Stand funktioniert. Eine Portion Oldschool fährt eben stets mit.

Fazit

Doch ist das so schlimm? Wir finden: nein, das ist es nicht. Ganz im Gegenteil! Es stimmt uns traurig, dass eine der festen Größen aus dem italienischen Automobilbau nun vom Markt verschwinden wird. Natürlich haben wir Schwächen gefunden: die Verwindungssteifigkeit ist nicht die beste, die Bremse könnte bei heftiger Beanspruchung mehr Biss vertragen und über den kaum vorhandenen Platz im Kofferraum sprachen wir bereits. Doch diese Makel sind in Wahrheit keine Makel: sie machen einen Maserati aus. Wollte man ein perfektes Auto, könnte man auch einen Porsche oder Mercedes kaufen. Das GranCabrio überflügelt diese mit seiner Emotion, mit seinem grandiosen Motor, mit seiner Grandezza, die so eben nur ein Maserati haben kann. Wir werden ihn vermissen. Arrivederci!

Technische Daten*

Modell: Maserati GranCabrio Sport
Motor: Achtzylinder-V, 4.691 ccm
Leistung: 460 PS (338 kW) bei 7.000 U/min
Drehmoment: 520 Nm bei 4.700 U/min
Antrieb: Hinterradantrieb, Sechsgang-Automatikgetriebe
Verbrauch (ECE): 14,5 l S 100/100 Km
Beschleunigung (0 – 100 Km/h): 5,0 s
Höchstgeschwindigkeit: 288 Km/h
Abmessungen (L/B/H): 4,93 m/1,92 m/1,34 m
Gewicht: 1.980 Kg
Grundpreis: 144.320 Euro

*Herstellerangaben

Bilder: Thomas Vogelhuber für evocars