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Familienglück: der Ford Edge Vignale (2017) im Test

Der SUV-Fahrer hat es ja nicht leicht. Nicht nur, dass er von jedem Dämonisiert wird der keinen hat. Ständig will ihm auch die grüne Politik ans Leder und am Ende steht er sich gar noch selbst im Wege rum. Dann nämlich, wenn eines dieser Paradebeispiele, Typ halbstarker Möchtegernfußballer, in der Frankfurter Innenstadt neben einem im Verkehr steht. Der Geländewagen etwas älter, aus englischer Produktion und natürlich als Sportversion. Der Karton ist geschmackvoll in schwarz-schwarz-schwarz lackiert und hinterm Steuer wird lässig Kaugummi gekaut. Am digitalen Apfel wird ebenfalls gespielt und natürlich beinahe die Ampelphase verpennt. Schnell noch muss der 3,0-Diesel, für einen V8-Benziner hat es augenscheinlich nicht gereicht, alle seine altersschwachen Pferde mobilisieren um nicht vom hinterherfahrenden Kleinwagenbesitzer böse angehupt zu werden. Da tut es gut, dass wir diese Szenen von einer Nebenspur aus betrachten und eben nicht in einem dieser auf ultimative „Sportlichkeit“ getrimmten Geländeviecher sitzen.

Wobei, schlecht aussehen tut der Ford Edge Vignale ja nun nicht. Gut, das Heck ist Ford ein wenig aus dem Ruder gelaufen, aber die stämmige Seitenlinie und die schicke Front fallen positiv ins Auge. Im Gegensatz zur vorher erwähnten tiefergelegten Sportversion, des geländetauglichen „Sport“ Utility Vehicle, verzichtet Ford darauf aus dem Edge einen künstlichen Kurvenräuber mit drei Tonnen Lebendgewicht zu generieren. Doch müssen wir gestehen: für einen immer noch gut zwei Tonnen schweren Wagen liegt der Ford Edge derart gut auf der Straße und in der nächsten Kurve, dass sich hier so manche deutsche Premium-Konkurrenz eine deutliche Scheibe abschneiden sollte. Weder nervös noch behäbig durchwedelt der Edge die Straßen um den hessischen Feldberg – ein Domizil für Motorrad- und Sportwagenfahrer.

Es mangelt ihm für seine Größe gewiss nicht an Agilität, dafür aber am Kurvenausgang ein wenig an Leistung. Sein 210 PS starker 2.0 TDCi Bi-Turbo Vierzylinder-Diesel wirkt in mancher Situation angestrengt und könnte für unser Dafürhalten ruhig ein paar Kilowatt mehr vertragen. In den USA gibt es ihn auch mit großen Sechszylinder-Benziner zu kaufen, allerdings wollte man dieses Wagnis für Europa offenbar nicht eingehen. Umgekehrt gibt es in Nordamerika keinen Diesel – sie werden schon wissen warum. Uns ist es am Ende gleich ob Ford die vorhandene Leistungslücke durch mehr Zylinder, einen stärkeren Diesel- oder einen Elektromotor ausgleichen will. Verdient hätte das Ford SUV das Mehr an Power auf alle Fälle. Doch soll das nicht heißen, dass wir mit dem Edge Vignale gar nicht vom Fleck kommen.

Im Alltag ist der Vierzylinder-Diesel völlig ausreichend, beschleunigt das große Trum auf Geschwindigkeiten knapp über 200 km/h und verwöhnt bei zurückhaltender Fahrweise mit Verbräuchen um die sieben bis acht Liter. Da kann man nicht meckern und es wird sogar noch besser. Denn der preisbewusste SUV-Käufer darf im Ford Edge bereits ab gut 41.000 Euro Platz nehmen. Für so wenig Geld gibt es nicht einmal einen neuen Audi Q5 zu kaufen. Dabei spielt der Ford Edge eigentlich über dieser deutschen SUV-Größe und nimmt es sogar mit einem BMW X5 oder Mercedes GLE auf. 4,80 Meter in der Länge sind stattlich, mehr als zwei Meter Breite (mit Außenspiegeln) in der Baustelle ein Grund um sich rechts zu halten. Wer die Ausstattungslinien durchgeht, sich für die von uns getestete höchste Linie Vignale entscheidet, der wird nur wenig vom vermeintlichen Chic eines süddeutschen Geländewagens vermissen.

Es muss sich der Audi Q5 und auch der BMW X5, um nur zwei Beispiele zu nennen, im Gesamten doch recht weit strecken um am Ford Edge Vignale dranzubleiben. Das gilt vor allem für den Preis. Denn selbst beinahe voll ausgestattet kostet unser Testwagen nur etwas mehr als 58.000 Euro – wohlgemerkt samt Automatik, Allradantrieb, sämtlicher Sicherheitsfeatures und einer Außenfarbe die nicht unbedingt schwarz sein muss. Allerdings gibt es bei so viel Licht auch irgendwo Schatten. Wir bemängeln da eher Kleinigkeiten, die aber nicht sein müssten. So knittert das Leder bereits nach weniger als 3.000 Kilometern unschön am Fahrersitz, der Lederbezug des Lenkrads ist nicht hundertprozentig verarbeitet und der Sony-Soundanlage fehlt es für amerikanische Verhältnisse an Klangvolumen. Unsere größte Kritik geht aber an die beheizbare Frontscheibe. Sie ist im Winter zwar ein gnädiger Diener und erlöst die Meisten vom lästigen Kratzen. Nachts sorgt sie allerdings für deutliche Irritationen im Straßenverkehr, zeichnet uns lauter gekreuzte Lichtkegel in den Sichtbereich.

Das eigene LED-Licht, samt Kurvenfunktion, ist allerdings frei von jeder Kritik und leuchtet die Fahrbahn ordentlich aus, die automatische Abblendfunktion funktioniert bestens. Ebenfalls unauffällig arbeitet der adaptive Tempomat, der sich wahlweise auch ohne Radar nutzen lässt. Der Spurhalteassistent dagegen ist eher ein Weckruf als ein echter Helfer und greift wirklich erst im letzten Moment ein – das können andere definitiv besser. Aber im Ford Edge Vignale fährt man ohnehin noch selber, genießt die Langstreckentauglichkeit dieses Familien-Crossovers und erfreut sich an anderen Dingen.

Zum Beispiel daran mehr als ausreichend Platz für Kind, Kegel, Bello und Zubehör zu haben. Ja, die Kleinen kommen hinten auf ihre Kosten und auch große Kinder in den 30ern werden sich nicht über zu wenig Bewegungsfreiraum beschweren. Das Gepäckabteil ist groß genug für allerhand Reiseutensilien oder einen ausgewachsenen Vierbeiner. Unterhalb des Kofferraumbodens gibt es dann noch weiteren Stauraum und ein Notrad findet ebenfalls noch Platz. Generell nutzt der Ford Edge seine üppigen Außenabmessungen auch im Innenraum und jede noch so kleine Ecke wird mit einem Ablagefach, Getränkehalter oder einer Steckdose belegt.

Sichtlich ergraut ist das SYNC-Infotainment-System des Ford Edge Vignale. Zwar fühlt man sich nie wirklich verloren bei der Bedienung des Touchscreens, so richtig leicht von der Hand geht es allerdings auch nicht. Hinzu kommt ein vergleichsweise langsam arbeitender Navigationsrechner, der nach dem Start eine Ewigkeit braucht bis er zur Eingabe bereit ist. Hingegen positiv: die teildigitale Instrumententafel die alle Informationen leicht ablesbar präsentiert. Ein i-Tüpfelchen wäre mit Sicherheit noch ein Head-Up-Display gewesen, das es beim Ford Edge allerdings nicht zu bestellen gibt.

Fazit

Der Ford Edge wird nicht in Köln oder Sarrlouis gebaut, sondern läuft im kanadischen Oaksville vom Band. Damit ist er ein echter Nordamerikaner, was man ihm auf den ersten Blick allerdings nicht unbedingt ansieht. Ford hat sich viel Mühe gegeben die zweite Generation des Edge europäisch wirken zu lassen und das merkt man auch positiv an der Verarbeitung und am Fahrverhalten. Man bekommt definitiv viel Auto für sein Geld geboten, in manchen Bereichen sogar mehr als man das üblicherweise gewohnt ist. Abstriche muss man hingegen beim eingeschränkten Motorenprogramm, dem angestaubten Infotainmentsystem und bei einigen Detaillösungen in Kauf nehmen. Am Ende ist der Ford Edge Vignale aber der ideale Familienbegleiter, der sich auch mal schmutzig machen kann, viel Platz und eine enorme Langstreckentauglichkeit bietet.

Ford Edge 2018 Facelift

Auf dem Genfer Automobilsalon im März 2018 stellte Ford offiziell die überarbeitete Modellversion des Edge vor. So bekommt der große Amerikaner ab dem vierten Quartal mehr Diesel-PS (190 PS als Einstieg, 238 PS beim von uns getesteten Bi-Turbo), neue Sicherheitsfeatures und eine deutlich umgestaltete Mittelkonsole spendiert. Das 6-Gang-Powershift-Getriebe wird gegen einen Achtstufen-Wandlerautomaten getauscht. Ebenfalls neu: eine Bang & Olufsen Soundanlage wird exklusiv für den Ford Edge abgestimmt und ab dem Facelift als Option angeboten. Wann genau der Marktstart im vierten Quartal erfolgt und zu welchen Preisen der Ford Edge dann angeboten wird ist noch nicht geklärt.

Technische Daten*

Modell: 2017 Ford Edge Vignale 2.0 TDCi Bi-Turbo
Motor: Vierzylinder-Dieselmotor, 1.997 ccm
Leistung: 210 PS (154 kW) bei 3.750 U/min
Drehmoment: 450 Nm bei 2.000 U/min
Antrieb: Allradantrieb, Sechsgang-Powershift-Getriebe
Verbrauch (ECE): 5,8-5,9 l D /100 Km
Beschleunigung (0 – 100 Km/h): 9,4 s
Höchstgeschwindigkeit: 211 Km/h
Abmessungen (L/B/H): 4,80 m/1,93 m/1,70 m
Gewicht: ca. 1.900 Kg
Grundpreis: ab 41.900 Euro

*Herstellerangaben