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Der Souverän: Ausfahrt mit dem BMW M550d xDrive

Es war ein rechter Paukenschlag, den BMW mit der Präsentation des Triebwerks mit der internen Bezeichnung B57D30C im Sommer 2016 hinlegte. Hatten die Münchner bereits ein paar Jahre zuvor mit dem Triturbo-Diesel und Leistung satt für ordentlich Wirbel gesorgt, sind vier Turbolader bei einem Dreiliter-Diesel schon eine ganz schöne Hausnummer. Zum Vergleich: das einzige Auto auf dem Markt, das momentan ebenfalls auf vier Turbolader setzt, ist der Bugatti Chiron mit 1.500 PS aus einem acht Liter großen W16-Motor.

Im Falle des B57, der in anderen Ausbaustufen auch ohne vier Turbolader und dafür weniger Leistung woanders (beispielsweise in 530d und 540d) zum Einsatz kommt, sind es vier Abgasturbolader, die sozusagen dem Bi-Biturbo-Prinzip entsprechen. Bei niedrigen Drehzahlen übernehmen zwei Niederdrucklader, die das allseits bekannte „Turboloch“ mit schnellem Ansprechverhalten überwinden sollen. Ab rund 2.600 Umdrehungen pro Minute kommen sodann zwei Hochdrucklader zum Zuge, die dem Dreiliter-Diesel Drehfreude und Spritzigkeit auch bei starker Beschleunigung und höheren Geschwindigkeiten verleihen. Soweit zumindest die Theorie.

Doch wie sieht das in der Praxis aus? Zum Test des nicht mehr ganz neuen Quadturbo-Diesels, der seit seinem Erscheinen zunächst im 750d eingebaut wurde, baten wir den M550d xDrive in der aktuellen Fünfer-Baureihe G30. 400 PS und 760 Newtonmeter sind schonmal ein Wort und zwar eines, das sich selbst hinter dem neuen M5 (600 PS, 750 Newtonmeter) nicht unbedingt verstecken muss. Verbrauchswerte von – laut Datenblatt – unter sechs Litern Diesel pro 100 Kilometer sind dabei eine Ansage an all die, die dem Diesel hierzulande den Kampf angesagt haben. Und über 900 Kilometer Reichweite sind – bei all den anderen sportlichen Kisten, mit denen wir hier von EVOCARS umherfahren – zur Abwechslung ein schönes Gefühl.

Der Fünfer schließlich empfängt uns in vertrauter Manier, wenngleich die Lackierung des Testwagens in Individual Frozen Grey nicht unbedingt die unsere ist. Doch die Türen schließen mit einem sanften Schmatzen der Softclose-Automatik (640,00 Euro), die in alle möglichen Richtungen einstellbaren Komfortsitze (560,00 Euro) sind höchst bequem und bieten dennoch ein absolut ausreichendes Maß an Seitenhalt, sind also kurz gesagt wärmstens zu empfehlen. Die Tante vom Navi versteht per Sprachbefehl sofort, wo wir hingeführt werden möchten und auch abseits dessen legt der Fünfer die Messlatte in puncto Verarbeitungsqualität und Materialauswahl ganz schön hoch – da reicht die aktuelle E-Klasse längst nicht heran. Wenngleich auch wir kritisch sind und uns die Frage stellen, wer 700 Euro für den nicht besonders wertigen Sensatec-Bezug des Armaturenbretts ausgibt. Oder wer bei einem Grundpreis von 87.000 Euro mit den serienmäßigen Hartplastikblenden im Alulook zufrieden ist. Der Rest der Bedienelemente besticht dafür durch Keramikapplikationen (wer es braucht, sie kosten 550,00 Euro) und diese gewisse Sattheit in Kleinigkeiten (Beispiel: Blinker- und Wischsatelliten), die eben den feinen Unterschied ausmachen.

Satt ist auch das Dieseltriebwerk, das unverzüglich nach dem Druck auf den Startknopf seine Arbeit aufnimmt. Schön: es ist kein künstlicher Klang (oder zumindest keiner, der künstlich wirkt), der in den Innenraum gelangt, sondern das zufriedene, ausgeglichene und irgendwie beruhigende Nageln eines Diesel-Reihensechszylinders. Leise und schön gedämmt, aber trotzdem ausreichend wahrzunehmen. Genau richtig portioniert. Die sämige Achtgangautomatik (ZF, famos) schnippen wir per Wählhebel in Drive und belassen den Fahrdynamikschalter zunächst im Comfort-Modus, man möchte sich schließlich erst einmal zurechtfinden. Nach kurzem Warmfahren geht es in Richtung Autobahn, wir haben da läuten hören, dass sich der M550d dort besonders wohl fühlen soll.

Um es kurz zu machen: zu viel versprochen wurde uns nicht. Fällt der rechte Fuß gen Bodenblech, verwaltet die Automatik kurz einen der vielen Gänge und nahezu verzögerungsfrei setzt der Quadturbo-Diesel den Gasbefehl um, baut sodann innerhalb von Millisekunden Druck auf, der in der Magengrube zieht und katapultiert zwei Tonnen bajuwarischen Materialmix Richtung Ziel. Wir hatten ja doch ernste Befürchtungen bei einem Dreiliter-Motor und dieser Leistung und Anzahl von Ladern, dass wir in einer Luftpumpe unterwegs sein würden. Der M550d belehrt uns eines Besseren. Bärig zieht dieser Bulle von Motor schon aus dem Drehzahlkeller heraus. Diesen Effekt verstärkt die lässige Programmierung der Automatik, die hohe Gänge gern lange hält und mit dem Drehmoment spielt. Doch anders als die meisten Dieselmotoren dreht der Motor auch der Fünf auf dem Drehzahlmesser freudig entgegen, ihm geht aber nicht die Puste aus. Gerade im Bereich oberhalb von 3.500 Umdrehungen machen sich die beiden Zusatzlader deutlich bemerkbar, was sich auf der Autobahn auch daran zeigt, dass der M550d selbst bei Geschwindigkeiten über 220 noch eine durchaus beachtliche Beschleunigung aufweisen kann. In dem Bereich nämlich, in dem auch bei sonst hochkarätigen Dieselmotoren die Luft endgültig raus ist.

Und genau dort spielt der mit dem M-Signet geadelte Diesel eben seinen Trumpf aus, denn wenn wir ehrlich sind: auch ein 530d oder gar ein 540d – beide auf dem B57-Grundmotor aufbauend – macht seine Sache auf der Autobahn in weiten Teilen ebenso gut und erst, wenn es in Richtung Höchstgeschwindigkeit geht, werden die signifikanten Unterschiede deutlich. Dann allerdings zahlt man auch einen Expresszuschlag – kamen wir im Mixbetrieb mit unter sieben Litern Diesel pro 100 Kilometer hin, benötigten wir M-mäßig auf zügiger Autobahnetappe gerne fünf Liter mehr. Doch macht das M aus dem 550d auch tatsächlich einen M5-Diesel? Um das herauszufinden, wechseln wir flugs von der Autobahn auf die wenig befahrene Landstraße und stellen das Adaptive M-Fahrwerk Professional (3.600 Euro) vom Comfort- in den Sportmodus. Schnell zeigt sich: BMW hat offenbar noch Zugriff auf Fahrwerksingenieure, die etwas von ihrem Handwerk verstehen. Denn dieses Fahrwerk schafft als eines von wenigen Adaptivfahrwerken den Spagat zwischen Komfort und Sportlichkeit in sämtlichen Positionen, gleichzeitig unterscheiden sich die beiden Modi trotzdem deutlich voneinander. Neigt sich der Fünfer in Comfort noch vergleichsweise früh zur Seite, sind Wankbewegungen in Sport für die große Limousine ein Fremdwort. Dennoch verliert er hier nur wenig von den Dämpfungsqualitäten, die Comfort für den Einsatz auf der Autobahn prädestinieren.

Was der Sport-Modus dem Fünfer allerdings nicht austreiben kann, ist sein hohes Gewicht und die Untersteuerneigung in engen Kehren. Hier kündigen die Reifen recht früh an, dass langsam aber sicher die Haftgrenze erreicht ist und zeigen damit, dass das Revier des M550d definitiv nicht in der schnellen Kurvenhatz auf der schmalen Landstraße liegt. Dafür ist er zu groß, zu schwer und zu unwillig, wenngleich das sehr spontane Einlenkverhalten häufig etwas anderes suggerieren mag. Dies ist im Übrigen auch der einzige Kritikpunkt, den wir an der Lenkung gefunden haben, ist diese doch vergleichsweise mitteilsam und selbst im Sport-Modus nicht übertrieben schwergängig. Auf der Autobahn kann die Direktheit der Lenkung dafür für so manche optische Zuckung sorgen – ihr fehlt hier ab und an die Ruhe um die Mittellage, die ein Vielfahrer gerne hat.

Fazit

Das Fazit soll somit auch eine Anregung an die Münchner enthalten. Denn das M-Badge braucht es auf dem 550d nicht. Nicht, dass die Längsperformance nicht auf M-Niveau wäre, doch die Querdynamik fällt konzeptbedingt etwas hinter ihr zurück. Ein 550d im Serientrimm mit komfortablem Standard-Fahrwerk wäre für alle Interessierten wohl die eierlegende Wollmilchsau, nur dann würde wohl kaum noch jemand einen 750d bestellen – auf dessen Niveau liegen nämlich Comfort und Qualität des Fünfers. So bleibt es beim Rat zum nächstkleineren Fünfermodell: ein 540d mit 320 PS tut’s auch und schont das Portemonnaie. Man muss halt nur mit zwei Turboladern weniger auskommen können. Wer das partout nicht kann, erwirbt mit dem M550d aber einen überaus potenten BMW, der in Antritt und Qualität kein „echtes“ M-Modell vermissen lässt und dies gleichzeitig bei Bedarf mit mehr als ansehnlichen Verbrauchswerten kombinieren kann.

Technische Daten*

Modell: BMW M550d xDrive
Motor: Sechszylinder-Reihe, 2.993 ccm
Leistung: 400 PS (294 kW) zwischen 4.000 und 4.400 U/min
Drehmoment: 760 Nm zwischen 2.000 und 3.000 U/min
Antrieb: Allradantrieb, Achtgang-Automatikgetriebe
Verbrauch (ECE): 5,8 l D 100/100 Km
Beschleunigung (0 – 100 Km/h): 4,4 s
Höchstgeschwindigkeit: 250 Km/h
Abmessungen (L/B/H): 4,94 m/1,87 m/1,47 m
Gewicht: 1.940 Kg
Grundpreis: 87.000 Euro

*Herstellerangaben

Bilder: Thomas Vogelhuber, für Innen- und Motorraum BMW