Driven: Porsche 911 GT2 von 9ff

„Der 993 war der letzte echte Männerporsche! Etwas zickig und zum Treten der Kupplung brauchte man richtig Schmackes im Bein. Die Fahrt zum Shoppen machte Mutti einfach keinen Spaß.“ Solche und ähnlich Sprüche höre ich nicht nur an Stammtischen, sondern auch an weitaus weniger „männlichen“ Orten. Und angesichts der vielen Damen, die inzwischen mit 911ern durch die Innenstädte gondeln, möchte ich erwähnten Aussagen manchmal sogar zustimmen.

Doch ganz richtig ist der Spruch vom „letzten echten Männerporsche“ nicht. Tuner 9ff schafft Abhilfe. Dem aktuellen 911 GT2 (3,6-Liter-Boxer, 580 PS, 680 Nm) verpasst der Tuner zwei neue Turbolader mit variabler Turbinengeometrie, ein bretthartes, verstellbares Fahrwerk mit strammen 50 Millimetern Tieferlegung, ein leichtes Einmassen-Schwungrad. Die Kupplung wird der auf 670 PS und 800 Newtonmeter gestiegenen Leistung angepasst. Letzterer Eingriff ist auch der Grund dafür, dass es zum Treten der Kupplung eines kraftvollen Oberschenkels bedarf.

Um das Cockpit des Sportlers zu entern, geht’s an den Streben des Überrollkäfigs vorbei und rein ins Renngestühl mit Sechs- und Dreipunktgurten. Für die Fahrt ins Büro tut’s die Alltagssicherheit, bei der Nordschleifen-Hatz bedarf es der Sechsfachsicherung. Der Dreh am Schlüssel erweckt das hochgezüchtete Boxerbiest im Heck zum Leben. Wer sich ans energische Zutreten des Kupplungspedals gewöhnt hat, der stampft zwar das Pedal bei jedem anderen Wagen ins Bodenblech, bekommt den hochgezüchteten 9ff-Schwan dafür aber auch geschmeidig vom Fleck. Von jetzt an heißt es genießen.

Da wäre zunächst der süchtig machende Sound der Turbos und Blow-Off-Ventile. Das gierige Pfeifen beim Gasgeben und das nervöse Zischen beim Gaswegnehmen ziehen Fahrer und Umwelt gleichermaßen in ihren Bann. Zusätzlich versucht der GT2 mit seiner Klappensteuerung im Titan-Abgastrakt zu verführen. Auf Knopfdruck öffnet die Audio-Erotik die Lippen und schreit ihre Power ungeniert – wenn mir persönlich allerdings etwas zu leise – in die Welt. Und das darf der 9ff auch. Immerhin kann sich dieses Männerauto mit einer Sprintzeit von 3,6 Sekunden auf Tempo 100 und beängstigend kurzen 25,8 Sekündchen bis Tempo 300 auch mit deutlich teureren Boliden á la Lamborghini LP640 (285.000 Euro, 640 PS) und Maserati MC12 (696.000 Euro, 636 PS) messen.

Zum Thema Auspufflautstärke klärt mich der 9ff-Mann auf: „Die können wir stufenlos raufschrauben. Wir hatten schon einen Kunden, der wollte das maximal Mögliche. Bei 130 Dezibel hat’s dann fast das Messgerät gekillt. Eingetragen bekommt man so was natürlich nicht mehr. Aber gut, des Menschen Wille ist sein Himmelreich.“ Na dann, …

Wir verlassen das Werksgelände in Dortmund und machen uns daran, das Turbo-Aggregat auf Temperatur zu bringen. Dass die aufgezogenen Pilot Cup Sport von Michelin (235 mm vorn, 325 mm hinten) im Laufe unseres Ausflugs volle Haftung erreichen, glaub ich angesichts der niedrigen Außentemperaturen allerdings nicht. Aber wir wollen ja auch nicht auf die Rennstrecke und bis ans Limit gehen. Vielmehr sollen uns die Landstraßen und Autobahnen rund um Dortmund die Möglichkeit geben, einen ersten Eindruck vom deutlich über 330 km/h schnellen 9ff-Neuling zu bekommen.

Nachdem der Boxer warmgelaufen ist, kann ich nicht mehr an mich halten und gebe dem hammerharten Porsche die Sporen. Schließlich bin ich ein Mann. Aber leider kein Rennfahrer. Mein Hände werden feucht und feuchter als der GT2 anfängt zu fliegen. Jede Bodenwelle, jede Fuge schickt harte Schläge ins Cockpit und bei 300 Sachen ist am Lenkrad harte Arbeit angesagt. Kein Vergleich zum brutalen 320-km/h-Cruisen im Audi RS6R von MTM. Tempo-Schilder und Ausfahrten flitzen vorbei, die Titanflöte spielt eine wundervolle Melodie und das fahrwerksbedingte Zittern der Xenonfunzeln räumt die linke Spur erfolgreich frei. Aber mal ehrlich: Mit stumpfem Geradeausfahren ist der GT2 von 9ff sträflich unterfordert. Zwar versuche ich noch, auf der Landstraße ein geeignetes Revier zu finden, doch vergebens. Dieses Ding ist ein Monster. Ein Biest. Ein Zeitenjäger, der im drögen Alltag und auf öffentlichen Straßen wie Boxer Mike Tyson hinterm Schreibtisch wirkt. Und wir alle wissen, zu was „Iron Mike“ fähig ist (Stichwort Ohr).

Fazit: Wenn der 580 PS starke und rund 190.000 Euro teure Porsche GT2 nicht reicht, dann muss es ein GT2 von 9ff sein. Die Leistungsdaten der Porsche-Speerspitze werden eindrucksvoll nach oben geschoben, und die 30.000 Euro Aufpreis sollten in dieser Preisklasse zu verschmerzen sein. Auf öffentlichen Straßen muss sich dieser Bolzen vor niemandem verstecken und auf der Rennstrecke könnte der 9ff zum echten König mutieren.

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