RM Sotheby’s / Karissa Hosek

70 Jahre Ferrari, Teil 3: Testarossa „Monospecchio“

Testa Rossa. Das war der andere, der von früher, über den schreiben wir heute nicht. Heute geht es um den Ferrari Testarossa. Ferrari selbst traute sich wohl nicht recht, den sagenumwobenen Namen Testa Rossa für eines der ersten V12-Volumenmodelle zu verwenden und dennoch brauchte es etwas einprägsames. Der Testarossa prägte nicht, er schlug ein. Im positiven wie im negativen. Für die Meisten ist es immer noch der Ferrari der Achtziger schlechthin. Und diese verdammten Achtziger, die waren aber auch schräg!

Bild: RM Sotheby’s / Karissa Hosek

1984 – im Jahr seiner Vorstellung – war der Testarossa eine Sensation. Im Vergleich zu seinem Vorgänger 512 BB, dessen Plattform er erben durfte, war der Testarossa ein Ufo. Gute zwei Meter breit, knapp über Einszehn hoch. Und durch diese Lamellen, die wie kein zweites Designmerkmal (außer vielleicht LED-Tagfahrlichtern) die Tuningwelt dieser Dekade prägten, wirkte das Hinterteil gleich doppelt so breit. Ja, Disegno Pininfarina hatte erneut ganze Arbeit geleistet.

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Doch der Testarossa trat ein schweres Erbe an. Acht Jahre zuvor hatte Ferrari mit besagtem 512 BB einen wahren Sportwagen für die Straße vorgestellt – der nun als sein Nachfolger präsentierte Testarossa wirkt im optischen Vergleich alles andere als leichtfüßig, gar „sportlich“. Doch das täuscht: unter der riesigen und natürlich mit Lüftungsschlitzen (überhaupt ist der Testarossa ab B-Säule ein einziger Lüftungsschlitz) versehenen Haube im Heck schlummert ein mit rotem Schrumpflack überzogener 4,9-Liter V12 in einem Hilfsrahmen. Dieser konnte vom Chassis abgetrennt werden, um Wartungsarbeiten zu erleichtern. Das Heck war dafür einfach noch nicht breit genug.

Der V12-Sauger leistete 390 PS und 490 Newtonmeter Drehmoment, was in etwa der Power des zeitgleich gebauten 288 GTO entsprach. Doch der Testarossa sollte andere, luxuriösere Ansprüche erfüllen. Fette Ledersitze, Klima- und Soundanlage täuschten vorschnell darüber hinweg, dass dieser Keil in gut fünf Sekunden auf 100 ging und Spitze 295 lief. Klar, dafür brauchte man Eier, wie bei jedem Ferrari dieser Zeit. Doch wer fahren konnte und sich einigermaßen anstellte, konnte mit dem Testarossa richtig schnell sein.

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Das lag nicht zuletzt am aufwendigen Fahrwerk, das man in Maranello ausgetüftelt hatte. Doppelquerlenker je Rad und zwei Federbeine an der Hinterachse sowie 255 Millimeter breite Reifen hinten sollten die überaus ungünstige Gewichtsverteilung von 40:60 ausgleichen. Von einer Servolenkung konnten damalige Besitzer trotzdem nur träumen, so viele Zugeständnisse wollte Enzo dann doch nicht machen. Interessanterweise errang der Testarossa seine größte Bekanntheit nicht in der Farbe Rot, sondern in weiß: Eine seltene „Monospecchio“-Ausführung (mit lediglich einem hoch angesetzten Außenspiegel auf der Fahrerseite, viele Besitzer rüsteten den zweiten nach) spielte die Hauptrolle neben Don Johnson und Philip Michael Thomas in der Serie Miami Vice.

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Lange stand der Testarossa im Schatten der klassischen Ferrari aus den Sechziger und Siebzigerjahren und musste sich außerdem mit den deutlich schöneren Modellen der späten Neunziger um Rang und Namen prügeln. Diese Zeiten sind lange vorbei. Ähnlich wie zeitgenössisches Tuning erfährt der Testarossa eine Renaissance, bietet er doch – abgesehen von seinen optisch leicht entschärften Nachfolgern F 512 M und 512 TR – die seltene Möglichkeit, für einen verhältnismäßig niedrigen Einstandspreis einen echten, handgeschalteten V12-Mittelmotor-Ferrari zu fahren. Und zu genießen.

Bild: RM Sotheby’s / Karissa Hosek

Das hier abgebildete Fahrzeug ist eines der raren Monospecchio-Versionen und wurde am 19. Januar dieses Jahres in Arizona von RM Sotheby’s für rund 140.000 Euro versteigert.

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So fing alles an – gewissermaßen zumindest:
70 Jahre Ferrari, Teil 1: der F40

Das Vorgängermodell des Testarossa haben wir mittlerweile auch behandelt:
70 Jahre Ferrari, Teil 9: 512 BBi

Noch faszinierender ging es weiter:
70 Jahre Ferrari, Teil 7: der F50
70 Jahre Ferrari, Teil 13: 456M GTA

Für alle, die mehr den Sechzigern zugetan sind, geht es hier weiter:
70 Jahre Ferrari, Teil 2: Der 250 GT Berlinetta Lusso
70 Jahre Ferrari, Teil 4: der 330 GT 2+2
70 Jahre Ferrari, Teil 6: 275 GTB

Und wer gerne einen großen Namen trägt, kommt hier auf seine Kosten:
70 Jahre Ferrari, Teil 5: 575 Superamerica
70 Jahre Ferrari, Teil 12: 365 GTB/4 Daytona

Der Testarossa wurde doch tatsächlich einmal optisches Vorbild:
70 Jahre Ferrari, Teil 8: 328 GTS

Sportlicher und aktueller geht es hier weiter:
70 Jahre Ferrari, Teil 10: 360 Challenge Stradale
70 Jahre Ferrari, Teil 11: Scuderia Spider 16M

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