Driven: Audi A4 3.2 V6

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Es ist 14 Uhr, die Sonne knallt vom Himmel, keine Wolke lässt sich blicken und in meiner Hand halte ich den Schlüssel zum nigelnagelneuen Audi A4 3.2 V6 FSI. Herz, was willst du mehr?! Der Tank ist voll, die Straßen nur leicht befahren und im Navi sind alle relevanten Punkte vermerkt. Also nichts wie rein und ab dafür.

Gestartet wird per Knopfdruck, der bartlose Schlüssel kann in die Hosentasche wandern. Alternativ kann er auch ins Schloss gesteckt werden. Dann ist der Start-Stopp-Button allerdings ohne Funktion. Hmm… Zurückhaltend, geradezu unscheinbar fängt der V6 an zu schnurren. Klack, der erste Gang ist drin und ich nach nochmaligem Schalten schon auf Tempo 100. 6,2 Sekunden gibt Audi als Sprintzeit an. In Ermangelung „offener“ Autobahnen kann ich den Durchzug in höhere Tempi leider nicht testen, begnüge mich also mit den extrem kurvigen Landstraßen auf der Insel. Die erlaubte Höchstgeschwindigkeit nur geringfügig überschreitend, prügel ich den 40.000 Euro teuren Ingolstädter erst zaghaft, dann immer beherzter durch die Landschaft.

Vor allem das neue „Audi Drive Select“ leistet hier gute Dienste. Schon beim Start bin ich von der Einstellung AUTO zu DYNAMIC gewechselt. Dämpfer, ESP und Lenkung sind jetzt auf sportliches Fahren ausgelegt, unterstützen so das Einzirkeln in die Kurven und bescheren eine satte Straßenlage. Neben AUTO und DYNAMIC stehen außerdem COMFORT und INDIVIDUAL zur Wahl, letztere erlaubt das individuelle Zusammenstellen oben erwähnter Parameter. Auf allzu miserablen Straßen kommt der COMFORT-Modus zum Einsatz. Jetzt geht es entscheidend wirbelsäulen-schonender zur Sache. Kehrseite der Medaille ist die nun etwas schwammige Lenkung, die zu wenig Feedback von der Straße liefert.

Die Straße wird besser. Klick, klick – der DYNAMIC-Mode ist wieder drin. Besser! Mit Drehzahlen stetig oberhalb von 5.000 Umdrehungen nehme ich die nächsten Kilometer unter die Räder. Dank der neuen Allrad-Auslegung von 40 zu 60 (vorn/hinten) schiebt der Ingolstädter in den Kurven fühlbar über die Hinterräder. Trotzdem ist man sich des 4×4-Sicherungsnetztes stets bewusst. Und dann passiert es. Hinter mir taucht ein anderes Auto auf, der Fahrer muss also meinem „sehr eigenen“ Fahrstil gefolgt sein. Respekt. Ein zweiter Blick offenbart: Es ist ein S4 Cabrio der letzten Baureihe. Okay, ich muss mich also gegen 344 PS behaupten. Angesichts der 265 Pferdchen meines Untersatzes ein eher schwieriges Unterfangen (S4: 4,8 kg/PS, A4 3.2: 5,9 kg/PS). Bei der Sprintzeit aber gar nicht so schlimm aus. 5,6 Sekunden beim S4 stehen meinen 6,2 gegenüber. Warten wir’s ab.

Es vergehen keine fünf Minuten, da verschwindet das S4 Cabrio endgültig aus dem Rückspiegel. Ich nehme das Tempo raus und koste meinen Sieg voll aus. Der S4-Pilot hat tapfer gekämpft, aber trotzdem verloren. Ja, vielleicht bin ich auch einfach etwas bekloppter. Egal. Doch was ist das? Da isser ja wieder. Breit und wild blinzelnd füllt der zweite Ingolstädter meinen Rückspiegel. Und nun ist der Fahrer allein unterwegs. Seine weibliche Begleitung hat er wohl Blumen pflücken geschickt. Na dann, auf ein Neues. Fast zeitgleich schalten wir runter und lassen die Motoren aufheulen. Sein V8 mag sich voluminöser anhören, der 3,2-Liter unter meiner Haube faucht bei tüchtig Drehzahl aber auch recht ordentlich.

Auf der kurvigen Strecke kommen wir über den dritten Gang nicht hinaus, wechseln die Gänge wir verrückt. Die Sechsstufen-Automatik mit Schaltpaddels hinterm Lenkrad würde mir jetzt gut zu Gesicht stehen. Doch diese Versionen haben sich die Kollegen aus Dubai unter den Nagel gerissen. Aber auch die sechs Gänge der Handschaltung flutschen gut durch. Trotzdem, der Leistungsunterschied ist zu groß. Die Geraden gehören dem Eingeborenen, in den Kurven profitiere ich von der verdammt exakten Dynamik-Lenkung und dem bestens abgestimmten Fahrwerk. Der Spruch eines Audi-Mannes, den ich kurz vor der Ausfahrt noch auf ein Gespräch bat „der Neue ist drei Autos in einem“ scheint zu stimmen, dank des Drive Select gelingt der Wechsel vom braven Familienvater hin zum schnellen Rallye-Heizer perfekt. Das Duell endet schließlich unentschieden. Wir haben beide keinen Bock mehr auf Ballern und fallen fast synchron ins lockere Cruisen. Der S4-Fahrer genießt sein Cabrio, ich das COMFORT-Fahrwerk.

Etwas ab der Straße finde ich eine alte Bauruine mit viel Fotopotenzial. Zwei Stunden knipse ich den flachen Ingolstädter und komme schon bald zu einer folgenschweren Erkenntnis: Der neue A4 wirkt dynamischer als ein Dreier. Hoppla. Fast erschrocken von dieser Einsicht schaue ich noch mal genauer hin. Die aggressive Nase, die flachere Erscheinung und der super gelungene Hintern machen aus der Limousine einen echten Sportler. Nichts ist geblieben vom bulligen Vorgänger. Betrachtet man die Rückleuchten von der Seite, kommt sogar ein wenig Aston Martin-Flair auf. Respekt.

Und innen? Hier gibt sich der Neue als A5 mit „einem Touch Limousine“, so der für den Innenraum verantwortliche Audi-Mann wörtlich. Und richtig: Das Cockpit kommt einem bekannt vor, die Veränderungen zum Coupé-Bruder sind dennoch offensichtlich. Auch hier gibt’s ein dickes Lob von der EVOCARS-Redaktion. Hinten sitzt es sich für ein Auto mit 4,70 Metern Außenlänge adäquat und der Kofferraum schluckt mit 430 Litern auch ausreichend viel. Passt! Außerdem beim A4 3.2 serienmäßig mit an Bord: 17-Zoll-Alus, Reifendruck-Kontrollsystem, Klimaautomatik, Tagfahrlicht (Ambiente: Multifunktions-Lederlenkrad, Sitzheizung, Tempomat, Bordcomputer, ab 41.300 Euro).

Wobei wir beim Resümee unseres kurzen Audi A4 3.2-Ausfluges wären. Und das fällt zu 90 Prozent positiv aus. Die Optik des Ingolstädter kann mit Fug und Recht als rattengeil bezeichnet werden, was verdammt böse für die Münchner Konkurrenz zu werten ist. Der aus dem S3 bekannte Motor überzeugt wie erwartet und das Drive Select bestehend aus einstellbarer Dämpferregelung und Dynamik-Lenkung hat seine volle Daseinsberechtigung. Ob es dem Käufer bei einer schwächeren Version allerdings knapp 2.500 Euro wert ist, bleibt abzuwarten. Beim 3.2 allemal eine empfehlenswerte Investition. Allein der Sound der Abgasanlage könnte noch etwas kerniger, satter komponiert sein. Tja, ganz schön bitter für Mercedes und BMW, die ihre Vertreter schon vor dem A4 ins Rennen geschickt haben und nun unter Zugzwang stehen. Viel Glück in Richtung München und Stuttgart fürs nächste Facelift.

Technische Daten
Leistungsgewicht: 5,9 kg/PS
Motor: V6-Otto
Zylinderzahl/Ventile pro Zylinder:  6 / 4
Hubraum: 3197 ccm
PS bei U/min:  265 / 6500
Nm bei U/min:  330 / 3000-5000
0-100 km/h:  6,2 sek
Topspeed: 250 km/h abgeregelt
Antrieb:  Allrad
Bremsen:  vorn: Scheiben, innenbelüftet hinten: Scheiben
Maße in mm (Länge/Breite/Höhe): 4703 / 1826 / 1427
Leergewicht:  1580 kg
Verbrauch:  9,2 Liter im Mix (Super)
 Preis: ab 40.000 Euro