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Digitale Lenkspiele: der Infiniti Q60 im Fahrbericht

Selbstbewusst steht er vor uns, der neue Infiniti Q60 S 3,0t. Ganz so, als sehne er sich den Wettbewerb mit der Premiumkonkurrenz herbei. Mercedes-Benz, Lexus und BMW stehen ganz oben auf seiner Liste. Das schicke Coupé allerdings einfach einem schnöden Vergleich zu unterziehen würde dem Charakter des Japaners nicht gerecht werden. Denn der feine Nissan-Ableger unterscheidet sich, in Zeiten von technischer und optischer Gleichschaltung, ziemlich deutlich von seinen Mitbewerbern.

Beispielhaft für den technologischen Unterschied zur Konkurrenz ist die neuartige Lenkung. Mittels „DAS – Direct Adaptive Steering“ werden Lenkbefehle optional nicht mehr mechanisch, sondern digital, ähnlich wie in einem Flugzeug, übertragen. „Steer-by-wire“ nennt sich diese Technik und funktioniert im Alltag ziemlich gut. Selbst Hinterlandstraßen lassen sich mit einer Eingewöhnungsphase präzise meistern. Nur bei schnellgefahrenen Kurven und Geschwindigkeiten jenseits der 200 km/h Grenze vermissen wir vermehrt die Rückmeldung einer mechanischen Lenkung. Ein teilweise unsicheres Fahrgefühl ist die Folge.

Was schade ist. Denn unter der Motorhaube lauert ein doppelt aufgeladener 3,0 Liter V6, der geradezu darauf wartet herausgefordert zu werden. Er ist, ähnlich wie die Motoren in den Nissan-Verwandten GT-R und 370Z, ein Sechszylinder-Sahnestück. Laufruhig, durchzugsstark und gut dosierbar gibt es nur wenige die sich mit ihm messen können. Da muss schon ein BMW 440i im Rückspiegel auftauchen, damit das 405 PS starke Aggregat wirklich gefordert wird. Bei diesem Motor wirkt nichts gekünstelt oder simuliert. Wir haben einen ruhigen Sechszylinder unter der Haube – basta! Erst bei höheren Drehzahlen schallt es etwas sportlicher in die Ohren des Fahrers.

Das adaptive Fahrwerk des Q60 passt in weiten Teilen zur Unaufgeregtkeit des Motors, könnte im normalen Fahrmodus allerdings ein wenig komfortabler abgestimmt sein. Sehr gut gefallen hat uns die Konfiguration von Sport und Sport+. Knackig, direkt und nicht übertrieben hart lässt sich der Q60 hier durch die Kurven treiben. Die Bremsleistung ist in Ordnung – vermehrtes und starkes Verzögern aus höheren Geschwindigkeiten führt aber vergleichsweise schnell zu leichtem Fading.

Gut gelungen ist auch die Umsetzung des intelligenten Allradantriebs. Im Normalmodus werden 100 Prozent der Antriebskräfte an die hinteren Räder geleitet. Erst im Bedarfsfall erhalten auch die Vorderräder des Infiniti Q60 bis zu 50 Prozent der Leistung zugeteilt. Das Umschalten funktioniert schnell und nahezu unmerklich – die Kurvendynamik ist dabei stets beachtlich. Etwas träge hingegen: die 7-Gang-Wandlerautomatik.

Der Innenraum im Q60 ist gut verarbeitet und weitestgehend mit ordentlichen Materialien ausgestattet. Ein besonderer Hingucker sind die Carboneinlagen in den Türen und der Mittelkonsole. Die Sitze sind bequem, bieten einen guten Seitenhalt und lassen sich einfach verstellen. Der Fahrzeugklasse hingegen weniger angemessen: die unschönen und feststehenden Gurtbringer aus Plastik.

Ernsthafte Kritik müssen wir allerdings über das Multimedia-System im Infiniti Q60 loswerden. Zwei Bildschirme versorgen die Insassen mit allerhand Informationen. Im oberen Bildschirm wird überwiegend die Straßenkarte angezeigt, im unteren Monitor finden sich die Komforteinstellungen wieder. Die Bedienung mittels Touchfunktion wäre gar nicht so schlecht, wären die Menüs nicht tief verschachtelt und mitunter unlogisch aufgebaut. Um alleine die Bildschirme zu deaktivieren bedarf es einen genaueren Blick ins Handbuch. Man fühlt sich an die ersten iDrive Versuche von BMW erinnert. Licht am Ende des Tunnels liefert die hervorragende Bose Performance Anlage mit „Active Noise Cancellation“ und das – trotz altbackener Darstellung – flotte Navigationssystem, das uns bereits aus anderen Nissan Modellen bekannt ist.

Fazit

Zusammengefasst hat der Infiniti Q60S 3,0t mit einem tollen Design, seinem bärenstarken Motor und einer umfangreichen Ausstattung das Zeug um den etablierten Premiumcoupés die Kundschaft streitig zu machen. Die umständliche Bedienung, ein vergleichsweise hoher Kraftstoffverbrauch von gut und gerne 12-13 Litern und (ausstattungsabhängig) der Wechsel von einer mechanischen zu einer digitalen Lenkung sind Details, mit denen sich ein potentieller Infiniti-Käufer allerdings intensiver auseinandersetzen sollte. Doch gerade dieser Mix aus Licht und Schatten ist es, der aus dem Infiniti Q60 ein glaubhaftes und charakterstarkes Auto macht mit dem man gerne mehr erfährt, als nur den tagtäglichen Weg zur Arbeit.

Technische Daten*

Modell: Infiniti Q60S 3,0t
Motor: Sechszylinder-V, Turbolader, 2.997 ccm
Leistung: 405 PS (298 kW) bei 6.400 U/min
Drehmoment: 475 Nm bei 1.600-5.200 U/min
Antrieb: Allradantrieb, Siebengang-Automatikgetriebe
Beschleunigung (0 – 100 Km/h): 5,0 s
Höchstgeschwindigkeit: 250 km/h
Grundpreis: 56.990 Euro

*Herstellerangaben