Fahrbericht Ford Focus ST: Schön verpackte 250 PS

Der Ford Focus ST ist eine Erfolgsgeschichte. Über 140.000 Exemplare wurden seit der Markteinführung 2002 schon an den Mann – und die Frau – gebracht. Um den schnellen Hot Hatch auch weiterhin gut gegen die Konkurrenz positionieren zu können, wurden Fünftürer und Kombi für 2015 allerlei Modifikationen spendiert.  Kein Aspekt blieb unangetastet, Fahrwerk, Motor, Getriebe sowie Interieur und Exterieur wurden mit kleinen aber feinen Details auf mehr Sportlichkeit getrimmt. Außerdem gibt es zum ersten Mal in der Geschichte des ST auch eine Diesel-Version. In den spätwinterlichen Bergen Barcelonas durften wir die neuen Modelle genauer unter die Lupe nehmen und waren sehr angetan.

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Besonders die Fahreigenschaften standen im Mittelpunkt der Optimierungen. Neue Federn an Vorder-, und Hinterachse, darauf abgestimmte Dämpfer, Fahrwerkslager und Querstabilisatoren lassen den Focus tatsächlich fast „wie auf Schienen“ durch die Kurven Kataloniens flitzen. Auch die Fahrdynamikprogramme „ETS“ (Enhanced TransitionalStability) und „TVC“ (TorqueVectoringControl) wurden weiter optimiert. Vor allem die zuletzt genannte elektronische Sperre begeistert. Selbst bei Temperaturen nahe dem Gefrierpunkt und feuchter Fahrbahn spurtet der Fronttriebler souverän und ohne zu zucken von Kurve zu Kurve. Schnelle Lastwechsel nimmt der ST locker und mit einer stoischen Sicherheit hin – auch dank dem in drei Stufen arbeitendem ESP (Standard, Sport, Off).

Beim Benziner vertrauen die Ford-Ingenieure weiter auf den bewährten Zweiliter-Ecoboost-Turbomotor. Zwar bleibt die Leistungsangabe unangetastet bei 250 PS, dank umfangreicher Optimierungen in der Motorsteuerung und dem neuen Start-Stopp-System (serienmäßig bei allen ST) soll der Durchschnittsverbrauch aber um sechs Prozent auf 6,8 Liter je 100 Kilometer gesunken sein. Diese Werte konnten und wollten wir aber bei aller Liebe nicht erreichen.

Ford Focus ST 2015 (16)

Also haben wir uns darauf konzentriert, den Motor mal so richtig ranzunehmen. Und er macht Spaß, sehr sogar. Dank 360 Nm Drehmoment ist in jeder Lebenslage genug Leistung abrufbar. Die Werksangabe von 6,5 Sekunden auf 100 km/h glauben wir gerne. Und auch der Sound gefällt. Ein feines Bollern hier, leichtes Turbosäuseln dort. WRC-Feeling kommt auf. Das manuelle Sechsgang-Getriebe passt ebenfalls perfekt ins Gesamtpaket. Eine Automatik oder ein Doppelkupplungsgetriebe würden eh irgendwie das Feeling versauen, das aufkommt, wenn man auf einer Drehmomentwelle durch die Landschaft surft und noch alle Hände voll zu tun hat, die Gangwahl ganz persönlich und altmodisch selbst zu übernehmen. Die Schaltwege sind angemessen kurz und die Kulisse lässt sich gut durchschalten.

Die absolute Neuheit beim ST ist allerdings der erstmalig verfügbare Dieselmotor. Ebenfalls zwei Liter Hubraum, ganze 400 Nm Drehmoment, aber leider nur 185 PS. Und hier kam leider nicht nur beim lesen der Fahrwerte Ernüchterung auf. Klar, der Diesel leistet 65 PS weniger als der Benziner. Aber das für einen Turbodiesel relativ schmale Drehmomentband (400Nm liegen nur zwischen 2.000 und 2.750 U/min an) machen das sportliche Fahren auch nicht leichter. Dem Motor geht auf dem Weg zu höheren Drehzahlen einfach zu schnell die Luft aus. So schafft man den Sprint von null auf hundert nur in ewig langen 8,1 Sekunden. Auch die Höchstgeschwindigkeit ist eher schwach. Schon bei 217 km/h ist Ende Gelände. Der peinliche Soundgenerator macht das Ganze auch nicht spaßiger. Warum Ford hier nicht auch ein paar Pferde mehr spendiert hat, ist uns schleierhaft. Schade, denn so ist der Motor definitiv nicht ST-würdig.

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Aber zurück zu den positiven Aspekten des neuen ST. Denn auch beim Exterieur-Design hat das Team im neu geschaffenen „Ford-Pfermormance“-Programm (bis 2020 sollen 12 neue Ford-Peformance-Modelle erscheinen) alles richtig gemacht. Schlankere Scheinwerfer, eine stärker konturierte Motorhaube und der Kühlergrill im Wabenmuster samt ST-Emblem verleihen dem Focus eine Menge Überholprestige. Am Heck dominiert die mittig platzierte Doppelauspuffanlage, die von einigen Diffusor-Elementen unterstrichen wird. Abgerundet wird das Ganze von einem Dachspoiler.

Sieben Lackierungen, von denen es uns besonders das neu geschaffene „Slate Grau“ angetan hat, sind im ST-Programm verfügbar (Slate Grau, Indic-Blau Metallic, Sunset-Gelb Metallic, Polar-Silber Metallic, Panther-Schwarz Metallic, Frost-Weiß und Race-Rot).

Auch der Innenraum gefällt. Zwar immer noch recht plastiklastig, aber jetzt deutlich aufgeräumter dank weniger Knöpfe und Schalter. Die drei Zusatzinstrumente für Ladedruck, Öltemperatur und Öldruck, die oben auf der Mittelkonsole sitzen und extra in Richtung des Fahrers gerichtet sind, vermitteln pures Race-Feeling. Das neue Lederlenkrad hat zwar eine sehr ansprechende Form und ist recht griffig, könnte aber nach unserem Gefühl etwas dicker ausfallen. Die Recaro-Halbschalensitze bieten dank hoher Wangen einen tollen Seitenhalt und werden auch nach mehreren Stunden ausgedehnter Kurvenhatz nicht unbequem.

Was die Ausstattungs-Varianten betrifft, lässt sich Ford nicht lumpen und bietet gleich drei verschiedene Pakete an:

Die Basisausstattung „ST“ (ab 28.850 Euro) bietet LED-Ambiente-Beleuchtung, Stoffsitzen in grau/anthrazit, Scheinwerfer mit Regensensor und 18-Zoll-Leichtmetallräder mit 235er-Reifen. Die zweite Ausstattung hört auf den Namen „ST mit Leder-Sport-Paket“ (ab 29.850 Euro) und umfasst zusätzlich eine geregelte Klimaanlage sowie eine Leder-Stoff-Polsterung bei der vier verschiedene Farben wählbar sind. Als Top-Ausstattung fungiert das „ST mit Leder-Exklusiv-Paket“ (ab 32.550 Euro). Hier gibt es unter anderem LED-Rückleuchten und Tagfahrlicht, Xenon-Scheinwerfer und eine schwarze Lederpolsterung. Die Kombiversion „Turnier“ schlägt jeweils mit 950 Euro mehr zu Buche.

Apropos Turnier: Abgesehen davon, dass ein sportlicher Kombi immer cool sein wird und Ford dem ST Turnier auch optisch gute sportliche Gene mitgegeben hat, vereint der Kombi bei maximal 1.516 Litern Gepäckvolumen die Attribute eines präzisen Sportlers mit denen eines echten Packesels. So kommt der von Ford gewählte Vergleich mit einem Fünfkämpfer ganz gut hin.

Alles in allem hat Ford mit dem „neuen“ ST wieder gute Arbeit geleistet und eine solide Basis für das neue Performance-Programm geschaffen. Mit den überwiegend positiven Fahreindrücken, die der ST bei uns hinterlassen hat, freuen wir uns umso mehr auf den in Kürze vorgestellten Focus RS, der mit Sicherheit ein weiterer Leckerbissen aus dem Hause Ford werden wird.

Technische Daten*:
Modell: Ford Focus ST 2.0 EcoBoost 5-Türer
Motor: Reihen-Vierzylinder, Turbolader, 2.000 ccm
Leistung: 250 PS (184 kW) bei 5.500 U/min
Drehmoment: 360 Nm zwischen 2.000 und 4.500 U/min
Antrieb: Frontantrieb, Sechsgang-Handschaltung
Verbrauch (ECE): 6,8 Liter/100 Km
Beschleunigung (0 – 100 Km/h): 6,5 s
Höchstgeschwindigkeit: 248 Km/h
Abmessungen (l/b/h): 4,36 m/1,86 m/1,47 m
Gewicht: 1.437 Kg
Grundpreis: 28.850 Euro

* Herstellerangaben

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