Felix Maurer / evocars

MINI JCW im Fahrbericht: Immer noch der Alte?

„Warum holen wir eigentlich nur einen Mini ab?“ Klasse, da bekommst Du schon den bis dato stärksten Cooper aller Zeiten und Deine Begleitung mault nur rum. Wobei – ganz Unrecht hat sie angesichts der zahllosen M-Modelle in den heiligen Hallen der BMW-Presseabteilung nicht. Aber trotzdem. Für einen Cooper Works muss man sich ja wohl nicht rechtfertigen.

Galerie (14 Bilder)

Der jüngste Sprössling aber hört auf die interne Bezeichnung F56 und ist zumindest optisch eine schwierige Geschichte. Hat sich schon der normale One einer etwas übermotivierten Botoxbehandlung unterziehen müssen, setzt der Works mit seiner mächtigen Lufthutze und den Kotflügelverbreiterungen einen drauf. In Kombination mit der aufdringlichen Lackierung in white silver metallic und dem knallroten Dach und üppigem Chromzierrat verdaut sich der John Cooper Works nicht unbedingt leichter.

Besonders, wenn man den rundlich-niedlichen Anblick des direkten Vorgängers gewohnt ist. Im Vergleich zum Cooper Works der zweiten Generation ist der F56 zwar effektiv nur ein paar Zentimeter rundum gewachsen. Rein optisch wirkt er jedoch deutlich größer. Ein Eindruck, der sich auch im Innenraum fortsetzt, nachdem die Türen ohne das metallisch-vertraute Klacken ins Schloss gefallen sind.

Durch die stärker geneigte Windschutzscheibe sitzt der Fahrer weiter von selbiger entfernt und erlebt dadurch ein völlig neues und viel luftigeres Raumgefühl – auch ohne aufpreispflichtiges Panoramadach. Positiver Nebeneffekt: Die Pole-Position an der Ampel führt nicht mehr zu einer Rot-Grün-Sehschwäche.

„Energy Drink statt schwarzem Tee mit Zitrone“

MINI-JCW-(8)Der Tacho sitzt nun im Blickfeld des Fahrers, der Drehzahlmesser verkümmert zum Statisten, während die Tankanzeige in Übergröße und in billiger Leuchtbalkenoptik häufig zum Nachtanken mahnt. In der Mitte macht sich die Radio-Navigationseinheit breit. Serienmäßig mit Alcantara, Leder und Stoff bezogene Sportsitze werden nun deutlich höher montiert und nicht nur durch die opulente Testwagenausstattung hockt man auch gleich eine ganze Klasse höher im neuen Mini. Zumindest vorne heißt es also: Weniger Oldschool, Energy Drink statt schwarzem Tee mit Zitrone. Hintensitzer dürfen nach wie vor nur über Beine ohne Unterschenkel verfügen.

Dem „Zündschlüssel“ wurde ebenfalls eine große Portion Botox verpasst, er kann dafür zukünftig in der Tasche bleiben. Ein Zug am rot glühenden Startkippschalter in der Mittelkonsole genügt. Mit künstlichem Aufheulen erwacht der BMW-Zweiliter zum Leben. Der Sound enttäuscht: War der Einssechser im Vorgänger eine wahre Ohrenweide, erinnert der große Neue an altbekannte TFSI-Motoren der Wolfsburger Konkurrenz. Keine Emotionen, ein Klang, wie ein Vierzylinder eben klingt. Erst im anwählbaren Sportmodus kommt etwas Nachblubbern und Nachsprotzeln auf.

Durch den mangelnden Sound gibt sich der frische Works im quirligen Stadtverkehr vollkommen unauffällig. Die Kupplung erfordert keine starken Waden, das Getriebe lässt sich knackig und mit kurzen Wegen schalten. Das automatische Zwischengas beim Schaltvorgang ist hier ein erheblicher Komfortgewinn. Nur die leichte Anfahrschwäche nervt.

„Runterschalten zum Beschleunigen? Vergiss es!“

Von „Schwäche“ ist abseits der Stadtgrenzen nichts mehr zu spüren. 320 Newtonmeter und das erhebliche Hubraumplus machen sich in der Elastizität bemerkbar. Runterschalten zum Beschleunigen? Vergiss es! Aus dem Sechsten von 80 rauf auf 200 geht ohne mit der Wimper zu zucken. Das schaffte der Vorgänger in diesem Maße nicht, auch wenn er dafür mit mehr Emotionen beim Beschleunigen zu Werke ging: Der Neue wirkt mit seinem turbinenartigen Durchzug etwas langweilig, obwohl er es objektiv in Fahrwerten gemessen nicht im Geringsten ist.

Ein ähnlich objektv perfekt-subjektiv zu perfektes Bild gibt auch das Fahrwerk ab. Waren Tempi über 180 im Vorgänger noch eine Herausforderung für Mensch und Maschine, bügelt der neue Cooper Works alles glatt. Je schneller man fährt, desto komfortabler wird der F56. Und auch 240 Km/h Höchstgeschwindigkeit gehen ohne schweißnasse Hände vonstatten. Einzig kurz aufeinanderfolgende Querfugen schlagen arg hart durch die straff gepolsterten Rückenlehnen auf die Passagiere durch. Dieser Mini ist trotzdem deutlich autobahntauglicher als es sein Vorgänger war.

„Treibt man es zu wild, erntet man einen leichten Heckschwenk“

MINI-JCW-2015-(2)Kaufgrund für einen John Cooper Works war jedoch bisher nicht seine famose Langstreckentauglichkeit, als vielmehr sein wieselflinkes Fahrverhalten. Doch auch das findet sich im neuen F56 wieder. Eine Ähnlichkeit zum Go-Kart konnte man allen Ernstes auch dem Vorgänger nicht attestieren. Dennoch fühlt sich der Neue anders, größer und irgendwie auch entkoppelter an. Die Lenkung hat um die Mittellage minimal mehr Spiel, das Fahrwerk arbeitet deutlich souveräner und lässt sich auch auf drittklassigen Landstraßen nicht aus der Ruhe bringen. Das schafft ein sicheres Fahrgefühl, lässt aber die sonst so geforderte Handarbeit des Fahrers etwas in den Hintergrund treten. Der F56 nimmt ihm sehr viel davon ab.

Treibt man es zu wild, erntet man erst nach Lupfen des Gaspedals einen leichten Heckschwenk – der Radstand ist eben doch noch ziemlich kurz. Geht man wieder ans Gas, spürt man die Wirkung des elektronischen „Sperrdifferentials“: Untersteuern wird so gut es geht absorbiert, stattdessen zieht es den Mini in die Kurve hinein. Die Brembo-Stopper sind gut dosierbar und beißen auch nach mehreren Vollbremsungen beherzt zu. Auch mit gänzlich abgeschalteten Assistenzsystemen ändert sich das sehr neutrale Fahrverhalten kaum, einzig Traktionsprobleme zeichnen sich bis in den dritten Gang hinein ab. Langeweile kommt hier keineswegs auf, der Fahrer muss nur weniger arbeiten, um wirklich schnell zu sein. Aber das sagten wir ja bereits.

Der Vorgänger konnte Emotionen freisetzen. Der F56 hingegen ist ein guter, wenn nicht sogar perfekter Hot Hatch mit ordentlich Power, einem klasse Fahrwerk und tollen Ausstattungsoptionen (die naturgemäß ordentlich ins Geld gehen). Die Direktheit, Spontaneität und den Witz des Vorgängers haben wir jedoch vermisst. Nichts, wofür man sich rechtfertigen müsste. Neue Zeit, neuer Mini. Aber es schmerzt ein wenig.

Technische Daten*

Modell: MINI John Cooper Works
Motor: Vierzylinder Reihe, Turboaufladung, 1.969 ccm
Leistung: 231 PS (170 kW) zwischen 5.200 und 6.000 U/min
Drehmoment: 320 Nm zwischen 1.250 und 4.800 U/min
Antrieb: Vorderradantrieb, wahlweise Sechsgang-Handschaltung oder Sechsgangautomatik
Verbrauch (ECE): 6,7 l/100 Km
Beschleunigung (0 – 100 Km/h): 6,3 Sek
Höchstgeschwindigkeit: 246 Km/h
Abmessungen (l/b/h): 3,87 m/1,72 m/1,41 m
Gewicht: 1280 Kg
Grundpreis: 29.900 Euro

*Herstellerangaben

Fotos: Felix Maurer für evocars