Opel Adam S: Der Kleinste im Test

Was waren die beiden Damen am Empfang im Adam-Opel-Haus in Rüsselsheim entzückt: „Hach nein, einen Adam holen Sie ab? Wie süß!“ Eigentlich wollten wir nicht – wie so viele – über die Anziehungskraft des nach dem Firmengründer benannten Kleinstwagens beim weiblichen Geschlecht lamentieren. Doch das passte mal wieder exakt ins vorgemeißelte Bild: Der Adam – hoffnungslos dem Anglizismus zum Fraß vorgeworfen – ist ein Frauenauto durch und durch.

Geht man auf das Topmodell Adam S zu, kann man sich nicht vorstellen, dass er etwas an der 70-prozentigen Frauenquote, die momentan bei der Käufergunst herrscht, ändern würde. „Süß“, „nett“ und „freundlich“ sind passende Umschreibungen für die flächige Front. Wo sind die Spoiler, die scharfen Lufteinlässe, die Kriegsbemalung? Letztere ließe sich zwar durch die zahllosen Konfigurationsmöglichkeiten noch aufbringen, doch für den Rest bleibt nur der Griff ins Zubehörregal. Sorry, Opel, da kommt ein Abarth 595 aggressiver und sportlicher des Weges. Und selbst der gilt ja schon als…ach, lassen wir’s einfach.

Opel Adam S

Der riesige Spoiler am Heck, der angeblich bis zu 400 Newton mehr Abtrieb generiert, reißt es da auch nicht mehr heraus, wirkt stattdessen plump aufgesetzt – er ist es ja auch. Zum Glück hat man sich bei Opel bei der Abgasanlage zurückgehalten und setzt nur auf ein Endrohr. Andere Hersteller verwenden bei ähnlicher Motorleistung schonmal deren vier. Maritimblau steht dem Adam, eine Zweifarben-Lackierung könnten wir uns ob der großen Lackflächen aber auch gut vorstellen, sie ist im Optionsprogramm erhältlich.

Opel Adam S Innenraum

Die erste echte Überraschung folgt beim Blick in den Innenraum – die Recaro-Sportster (ab 1.300 Euro) sind ein Blickfang. Die Beifahrerin moniert gleich die fehlende Sitzheizung – gibt’s nur mit Vollleder (2.010 Euro). Schnell ist dank der weiten Verstellmöglichkeiten von Lenkrad und Sitz eine passende Position gefunden, wobei Großgewachsene wie so häufig mit der Sitzhöhe kämpfen: optimal eingestellt ist eine Oberschenkelauflage nicht gegeben und man sitzt mehr auf als in dem Sitz, der ansonsten den gewohnten Top-Seitenhalt bietet und trotzdem auch auf Langstrecken nicht unbequem wird.

Man findet sich fix zurecht im kleinsten Opel, wenige Knöpfe heischen um Aufmerksamkeit, das rundum aufgefrischte IntelliLink 4.0 überzeugt im Gegensatz zum Vorgängersystem mit einem Drehregler für die Lautstärke und größeren „Tasten“ auf dem Touchscreen – die Gefahr von Vertippern wird somit minimiert. Ein fest installiertes Navigationssystem gibt es nicht mehr, stattdessen Apple CarPlay und das funktioniert wenigstens einwandfrei, ebenso wie W-LAN für bis zu sieben Endgeräte. Wobei wir uns immer noch fragen, wer sieben (!) Handys, Tablets und Laptops im Adam mit dem W-LAN verbinden will.

Galerie

Doch zurück zum Thema Langstrecke: Als erstes ging es 750 Kilometer für den Adam S inklusive zweiköpfiger Besatzung gen Süden, denn dort, in Bella Italia, muss sich ein flinker Kleinwagen doch richtig beweisen. Hier zählen Abmessungen, eine gute Übersichtlichkeit, ein kleiner Wendekreis und das gepaart mit einem starken Motor ist natürlich auch nicht schlecht. Der überzeugt auf der Autobahn schonmal mit niedrigem Geräuschniveau und Genügsamkeit: Bei häufiger Ausnutzung der Richtgeschwindigkeit mittels Tempomat konsumierte er im Schnitt gut 6,5 Liter auf 100 Kilometer, was in Kombination mit dem 35 Liter großen Tank Reichweiten von immerhin gut 500 Kilometern möglich macht, bis zum Nachtanken gemahnt wird.

Lässt man es denn auf kurvigen Landstraßenpassagen rund um den frühlingshaften Lago di Garda krachen, nimmt der kleine 1400er auch einen doppelt so großen Schluck aus dem Tank – im Durchschnitt kamen wir aber nie auf mehr als 8,5 Liter pro 100 Kilometer. Ordentliche Werte, jedoch nichts, was einen positiv oder negativ aus den Latschen haut. Viel nerviger hingegen die übersensible Einparkhilfe, die schon in den locker 2,50 Meter breiten Mautstationen das Dauerpiepen anfing. Erster Minuspunkt. Denn wenn es nach der PDC ginge, wäre der Adam 2,40 Meter breit und 4,50 Meter lang. Dabei ist er gar nicht so groß (3,70 Meter lang, 1,72 Meter breit). Und nicht unübersichtlich. Einzig nach schräg hinten wird der Blick durch die dicke C-Säule behindert.

Opel Adam S Badge

Die Kombination aus kleinem, leichten (1.178 Kilogramm) Auto und 150 PS animiert dann doch eher zum Blick nach vorn und nicht nur zum Bummeln oder Einparken: Stoisch zieht der Turbo ab 1.500 Umdrehungen an und dreht beinahe saugerartig linear – das volle Drehmoment von 220 Newtonmetern liegt ab 2.750 U/min an – bis knapp über 6.000. Die Kraftentfaltung ist dabei nie überfallartig und überfordert die Vorderachse kaum – trotz Winterreifen bei gut 18 Grad Außentemperatur konnten wir keine herben Gripausfälle feststellen. Allerdings: weniger Leistung sollte es dann auch nicht sein, wenn man Wert auf ein spaßiges Vorankommen legt. Der Einsvierer macht sogar klangtechnisch einen eher angestrengten Eindruck – selbst wenn objektiv ordentliche Beschleunigungswerte auf dem Papier stehen.

Opel Adam S

Das Fahrwerk könnte hingegen noch deutlich mehr Leistung vertragen: Sehr neutral abgestimmt wedelt der Adam S durch Kurven, bleibt trotz seines kurzen Radstands extrem stabil und lässt sich auch durch Verfehlungen an der Fahrbahnoberfläche nicht aus der Ruhe bringen. Erst bei sehr scharfen Richtungswechseln verzeichneten wir ein leichtes Schieben über die Vorderachse. Und in der Lenkung haben wir den entsprechenden Biss vermisst – sie könnte noch etwas zackiger auf Lenkbefehle reagieren. Das etwas indirekte Verhalten dürfte aber auch zum Teil auf die Winterreifen zurückzuführen sein. Das ESP lässt sich im S-Modell deaktivieren, bis die Regelgrenze erreicht ist, befindet man sich aber meistens nicht mehr im StVO-konformen Bereich.

Weniger als das sehr gute Fahrwerk überzeugte uns die Bremse: Die Stopper aus dem verflossenen Corsa OPC beißen zwar kräftig zu, das Pedalgefühl ist jedoch teigig und die Dosierbarkeit lässt zu wünschen übrig. Ebenso wie das Sechsganggetriebe, das sich leider etwas knorpelig schalten ließ. Und dann ist da noch die Sache mit den Emotionen. Auch zig Individualisierungsmöglichkeiten und ein auf englisch ausgesprochener Name des Firmengründers an der Seite reichen nicht, damit das Auto selbige versprüht wie ein Abarth 595. Es ist also noch Luft nach oben für einen Adam OPC, der dann ja vielleicht auch eine echt männliche Optik bekommt. Ach ja: Eine der beiden Empfangsdamen hat sich kürzlich erst einen Adam S gekauft.

Technische Daten*

Modell: Opel Adam S
Motor: Vierzylinder Reihe, Turboaufladung, 1.398 ccm
Leistung: 150 PS (110 kW) zwischen 4.900 und 5.500 U/min
Drehmoment: 220 Nm zwischen 2.750 und 4.500 U/min
Antrieb: Vorderradantrieb, Sechsgang-Schaltgetriebe
Verbrauch (ECE): 5,9 l SP/100 Km
Beschleunigung (0 – 100 Km/h): 8,5 s
Höchstgeschwindigkeit: 210 Km/h
Abmessungen (L/B/H): 3,70 m/1,72 m/1,48 m
Gewicht: 1.178 Kg
Grundpreis: 18.890 Euro
Typklassen (HP/VK/TK): 15/19/17
*Herstellerangaben

Fotos: Felix Maurer für evocars