Bayerisches Motorenwerk: BMW M4 Coupé im Test

„Bella Macchina“ schwärmt der italienische Tankwart an der Eni südlich von Monza. Die Zweifel, ob er tatsächlich uns meint, werden ausgeräumt, als er fragt, ob er ein Foto von dem mattsilbernen M4 schießen dürfe. Wenige Minuten später kennen wir seine halbe Lebensgeschichte, die zwar nichts mit BMW zu tun hat, aber dennoch eines zeigt: M-Fahrer haben viele Freunde.

Gut, Schweizer Grenzbeamte werden wahrscheinlich nie dazugehören. Dreimal wurde das schicke Coupé auf unserer einwöchigen Tour nach Südfrankreich unter sehr kritischen Blicken herausgewunken, unter anderem die Profiltiefe der Reifen und selbstverständlich die Personalien der Insassen kontrolliert. Und wer jetzt sagt, dass das klar an der Fahrer-Beifahrer-Kombi liegen musste: In dieser Form und Häufigkeit ist es uns noch nie passiert.

BMW M4 Test 2016

Nun ist ein BMW M4 normalerweise kein allzu auffälliges Auto. Ein Dreier als Coupé als M, wenn man’s genau nimmt. Aus dem Coupé hat BMW dann halt den Vierer gemacht, von dem es dann aber auch einen Viertürer gibt, das Vierer Gran Coupé, ach und überhaupt, wir blicken nicht mehr durch die Nomenklatur bei den Bayern. Glücklicherweise hatte niemand bei der Zusammenstellung des Testwagens das Kreuzchen bei „Entfall Modellbezeichnung“ gesetzt.

BMW M4 Test 2016

Abgesehen davon war die Liste der optischen Auffälligkeiten ganz schön lang. Mattlack, Carbondach, 19-Zöller in Bi-Color (2.050 Euro) mit freier Sicht auf die sündhaft teure Carbon-Keramik-Bremse inklusive goldener Bremssättel sowie pornöser erweiterter Lederausstattung in Sakhir Orange (3.400 Euro). Schrill – auf den ersten Blick, geschmackvoll und gelungen auf den zweiten. Oh ja, man konnte sich daran gewöhnen.

BMW M4 Test 2016

Wie an einiges andere, das ein sogenanntes Premium-Fahrzeug eines sogenannten Premium-Herstellers bietet. Die serienmäßigen M-Sportsitze gehören dazu, die mit dem Körper verschmelzen, wie es selten Sitze tun. Aufblasbare Seitenwangen inklusive. Das Verarbeitungsniveau von Lederarbeiten und Kunststoffen ist hoch, das Raumgefühl weder zu spartanisch, um nicht als tauglicher Daily durchzugehen aber auch nicht unnahbar luxuriös, um nicht mal hart angepackt zu werden.

Apropos hart anpacken: was wurde der M4 zu Anfang gescholten. Kein hochdrehender V8 mehr wie beim Vorgänger und dann nicht mal mehr ein Saugmotor unter dem Powerdome. Erst der Name, die glorreiche Kombination – gestrichen zugunsten einer neuen Modellbezeichnung (siehe oben). Nun denn, die beiden „M4“ vorn und hinten sind schnell gegen ein „M3“ getauscht. Und der Motor, der muss sich wirklich nicht verstecken. Schon gar nicht hinter dem Vierliter-V8, der gegen die mächtigen Sechszweier-AMG immer etwas schwächlich wirkte.

BMW M4 Test 2016

Stattdessen bitten im M4 zum Tanz: Sechs Zylinder in Reihe angeordnet, Biturbo-Aufladung nach dem Mono-Scroll-Prinzip, Direkteinspritzung. Die intern S55 bezeichnete Maschine basiert auf dem AG-Motor N55, ist jedoch in Teilen – laut BMW zu etwa 25 Prozent – auf mehr Performance getrimmt. Im Gegensatz zum 35i-/40i-Motor verfügt der S55 über „echte“ zwei Turbolader, deren kompakte Bauweise für ein geringes Massenträgheitsmoment bürgt und dies für ein sehr schnelles Ansprechverhalten sorgt.
Genug g’schwätzt, wie fährt das Ding? Nun ja, wir müssen erstmal sortieren: Beim Start stehen die verschiedenen Konfigurationen von Motor, Fahrwerk und Lenkung stets auf Efficient, Sport und Sport. Wir können schon die Modellvielfalt von BMW nicht ganz nachvollziehen, da verstehen wir das noch weniger. Egal. Mit Druck auf eine der vorprogrammierbaren M-Tasten am Lenkrad wird fix umgestellt: Motor auf Sport Plus, da sind Gasannahme und Sound am schärfsten (wer den Rasenmäher-Klang in Efficient durchgewunken hat, sollte mit lebenslänglich Daciafahren gestraft werden). Fahrwerk und Lenkung auf Comfort, hier gibt die elektronische Lenkung die größte Rückmeldung und das Fahrwerk bietet die meisten Reserven für die Landstraße.

BMW M4 Test 2016

Und diese Reserven braucht es auch. Nicht, dass wir nur über Feldwege im Osten gebrettert wären, vielmehr ist es die überfallartige Leistung von 431 PS und 550 Newtonmetern, die an den Michelin Pilot Supersport und den Händen des Fahrers schnell Hitzeattacken auslösen können. Auf trockener Straße und angeschalteten Fahrhilfen (die MDM-Funktion nutzt höchstens wenig) passiert zwar nichts, allerdings bleibt bei unsensiblen Naturen, die das Gaspedal lediglich digital bedienen können, der Spaß auf der Strecke. Wer sich dafür zutraut, auch das ESP abzuschalten, sollte auf der Hut sein: Das maximale Drehmoment liegt konstant ab 1.800 Umdrehungen an.

BMW M4 Test 2016

Doch immerhin hat man uns gute Beißerchen in Form der Carbon-Keramik-Bremse spendiert. Die lässt sich im Gegensatz zur Motorleistung sehr gut dosieren, macht erst bei vollem Reintreten auch richtig zu, dass so manchem die Plomben gen Windschutzscheibe fliegen werden. Bei Nässe sollte man jedoch Vorsicht walten lassen – die Reaktionszeit bei nassen Bremsscheiben lag teilweise deutlich über dem, was man normalerweise gewohnt ist. Ob man außerdem die Investition von 7.300 Euro locker machen will oder das gesparte Geld lieber in eine schöne Reise mit dem M4 investiert, bleibt jedem selbst überlassen. Für den täglichen Gebrauch genügt die Standard-Stahlbremse vollkommen.

BMW M4 Test 2016

Für eine saubere Linie braucht es also Finger- und Zehenspitzengefühl und das unterscheidet den Turbo-M4 von seinen Sauger-Vorgängern: waren das noch absolute Präzisionsgeräte, an denen Du alle hundert Umdrehungen mit dem Gaspedal erstreicheln konntest, ist der Neue eher so der Typ Haudrauf. Die Power ist immer zur Stelle, die Gasannahme ist für einen Turbomotor fantastisch gut, er dreht trotzdem bis Siebensechs und tönt voll ausgedreht, als ob der Leibhaftige in seinem alten M3 hinter ihm her wäre. Fürn Spaß ist das geil, wenn man’s kann. Sonst würden wir doch tatsächlich sagen: wer da noch nach mehr Leistung schreit, hat die Ur-Idee des M3 überhaupt nicht verstanden.

BMW M4 Test 2016

Die vermittelt – abgesehen vom Motor und der falschen Bezeichnung – nämlich auch der M4 noch: Ein Konkurrent zum Evergreen aus Stuttgart, dem Elfer, war er irgendwie ja immer. Ein Konkurrent im BMW Dreier-Outfit, mit viel Dampf und Dezenz zum kleinen Preis. Nun, Dezenz sei dahingestellt, sonst wären wir wohl kaum von den Schweizer Grenzern angehalten worden. Doch sonst war das M4 Coupé der perfekte Begleiter für die Grand Tour nach Südfrankreich: Der Kofferraum reicht locker für Zwei, Sitze, Ergonomie, Navi und Fahrwerk sind schlicht und einfach: perfekt. Einzig das HiFi-Lautsprechersystem zu 390 Euro überzeugte nicht, wer gern und viel Musik hört, sollte Harman Kardon für 1.090 Euro nehmen. Dafür gehört das feine Head-Up-Display zu den klaren Kaufempfehlungen – hilfreich, toll und detailreich umgesetzt und eine echte Unterstützung.

Hinzu kommt der niedrige Verbrauch: Auf Schweizer Autobahnen schafften wir es, die Werksangabe von 8,3 Litern zu unterbieten und brauchten 7,8 Liter pro 100 Kilometer. Ein herausragender Wert. Gut, auf unseren Ausflügen auf die Passstraßen rund um Monaco standen knapp 20 auf dem Bordcomputer. Der M4 säuft, wie 431 PS saufen sollten, wenn sie gefordert werden.

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Und wir wären im Antriebs-Kapitel schon beinahe auf die 100-Prozent-Wertung gekommen, wenn uns die Presseabteilung nicht mit einem Doppelkuppler (3.900 Euro Aufpreis) versorgt hätte. Denn das, liebe Leute, können andere besser. Im Unterschied zu Konkurrenzprodukten von Audi, Porsche oder Mercedes verfügt das M-DKG nicht über einen Kriechmodus, was Einparken in engen Parklücken zur mittleren Tortour werden lässt. Das hat nichts mit Sportlichkeit zu tun, sondern ist einfach Mist. Dass man bei laufendem Motor im Leerlauf und (!) angezogener Handbremse keine Tür aufmachen kann, ohne ständig von Gongs und Warnhinweisen darauf aufmerksam gemacht zu werden, das Auto gegen Wegrollen zu sichern, kann man ebenfalls nur als Bug, aber nicht als Feature deklarieren. Zumal sich die Parkbremse mangels Knopf (das wäre ja zu einfach gewesen) nur bei ausgeschaltetem Motor aktiviert.

BMW M4 Test 2016

Zu guter Letzt wären da noch die Schaltvorgänge ansich: die Schaltzeiten lassen sich mittels Drücker dreistufig unterhalb des Schalthebels einstellen. Hier erschien uns Stufe Zwei als bester Kompromiss zwischen Pest (Eins, vergleichbar mit einer Viergang-Automatik aus einem Mercedes W123) und Cholera (Drei, so hart und schnell, dass die Fahrhilfen die Fuhre auf Kurs halten müssen). Aber auch hier agierte das Getriebe über weite Strecken nicht so souverän und verschliffen, wie man es von Doppelkupplungsgetrieben der heutigen Zeit gewöhnt ist. Zu undurchsichtig die Schaltvorgänge im Schleichverkehr in der Innenstadt, zu rustikal die Umsetzung bei schneller Landstraßenhatz. Oder: wir nehmen das nächste Mal den Handschalter. Entweder BMW, Ihr baut ein richtiges DKG, oder bleibt gleich beim SMG.

Und nicht nur, dass wir den Handschalter anstelle des DKG wählen würden ist symptomatisch für diesen Test. Unser Wunsch-M4 wäre das exakte Gegenteil unseres Testwagens. Man kann ihn pur konfigurieren, handgerissen, Stahlbremse, Standard-Fahrwerk, Stoff-Leder-Kombi und 18-Zöller. Und dann haben wir eine echte Bella Macchina.

Technische Daten*

Modell: BMW M4 Coupé
Motor: Sechszylinder-Reihe, Biturbo, 2.979 ccm
Leistung: 431 PS (317 kW) zwischen 5.500 und 7.300 U/min
Drehmoment: 550 Nm zwischen 1.800 und 5.500 U/min
Antrieb: Hinterradantrieb, Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe
Verbrauch (ECE): 8,3 l Super Plus/100 Km
Beschleunigung (0 – 100 Km/h): 4,1 s
Höchstgeschwindigkeit: 250 (280) Km/h
Abmessungen (L/B/H): 4,67 m/1,87 m/1,38 m
Gewicht: 1.612 Kg
Grundpreis: 77.200 Euro (inkl. DKG)
Typklassen (HP/VK/TK): 18/30/32

*Herstellerangaben

Fotos: Felix Maurer für evocars