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California dreamin‘: Der Ford Mustang GT im Test

Ein Auto das keiner braucht, aber jeder haben will. Ja, der Spruch stammt eigentlich von Ferdinand Porsche, doch er trifft auch auf den Ford Mustang GT zu. Denn wer braucht in der heutigen Zeit ein über 4,70 Meter langes, zweitüriges Auto mit acht Zylindern, fünf Litern Hubraum und über 420 PS? Richtig: niemand. Und wir stehen, da sind wir ganz ehrlich, ganz vorne in der Schlange derjenigen, die dieses Ponycar haben wollen. Das nimmt das Ergebnis dieses Tests quasi schon vorweg und wer nun einen typisch deutschen Tratsch über Qualität, Spritverbrauch oder Praktikabilität erwartet hat, muss gar nicht mehr weiterlesen. Wir sind dem Mustang GT verfallen. Restlos.

Da wäre einmal der Auftritt ansich: auch wenn Rennrot nicht unbedingt die beste Farbe für einen Mustang ist – zumal die Farbbezeichnung irgendwie nicht passt – pflegt der V8-Ford einen zurückhaltenden, positiven, ja beinahe stilvollen Auftritt. Er ist nicht der „Digga“, der nach der Pumpeinheit im Fitnessstudio seine frisch antrainierten Muskeln spielen lassen muss – er ist mehr der amerikanische Farmer, der seinen Kontrahenten notfalls auch mit der flachen Hand einen halben Meter in den Boden rammt. Aber darum eben kein Aufhebens macht. Der V8 brabbelt stets wohlig im Hintergrund, beruhigt die Umstehenden, beruhigt die Seele. Der Mustang GT ist ein einfaches Auto, das von jedem gefahren werden kann, das aus jeder Perspektive verdammt gut aussieht und dennoch nie ins Unseriöse abgleitet. Ob mit Jeans oder im Zweireiher: Mustang geht immer.

Da passt es natürlich gut, dass der Mustang es jedem Fahrer leicht macht. Hat man sich auf den bequemen, aber sehr weichen Sitzen niedergelassen, erlebt man keine Überraschungen. Auf Knopfdruck startet der Fünfliter, fällt in einen ruhigen Leerlauf, der Schalthebel rastet sehr knackig und sauber in die Eins, die Kupplung erfordert etwas Kraft. Einzig die Brembo-Bremsanlage benötigt ein wenig Gewöhnung: selbst bei leichter Berührung des Bremspedals beißt sich bereits zu. Kopfnicken unvermeidbar. Aber man arrangiert sich gern damit. Zudem die Bremse bei unseren Testfahrten einen deutlich standfesteren Eindruck machte als die der Vorgängermodelle.

Und einmal in Fahrt, bestenfalls bei über 30 Grad und heruntergelassenen Scheiben, versprüht der Mustang unvergleichlich den American Dream. Der Weg ist das Ziel, die Augen gleiten über die ewig lange Motorhaube auf die „German Autobahn“ und es ist vollkommen egal, ob nun 80, 120 oder 220 Km/h anliegen: das Pony macht alles mit, versprüht eine fantastische Gelassenheit. Im Mustang lässt man sich nicht hetzen – man selbst hetzt aber auch nicht. Selten haben wir ein charaktervolleres Auto erlebt. Die Entspanntheit während der Fahrt resultiert auch aus dem extrem lang übersetzten sechsten Gang, der vor allem den Verbrauch auf der Langstrecke wirksam senkt: so schafft man relativ mühelos Werte um 11 Liter Super. Schaltet man herunter und gibt dem Pony die Sporen, können es auch gern 18 Liter durchschnittlich sein. 18 Liter, die man diesem Motor gerne gönnt.

Denn der ist schon nicht mehr als Pony, sondern eher als Bulle zu bezeichnen. Dank der 421 PS und 530 Newtonmeter Drehmoment hat er mit den gut 1,7 Tonnen mehr als leichtes Spiel und sofern der richtige Gang vorsortiert wurde, gibt es wenige Autos, die auf der Autobahn oder der Landstraße mithalten können. Gleichmäßig zieht er bereits aus dem Drehzahlkeller heraus, legt vor allem ab 3.500 Umdrehungen nochmal einen echten Zahn zu und brüllt sich bei 5.000 die Seele aus dem Leib. Doch Moment, schrieben wir gerade Landstraße? Die war ja früher nicht gerade das bevorzugte Revier der Ponys, doch seit im neuen Modell die Einzelradaufhängung an der Hinterachse eingezogen ist, gehören diese Geschichten der Vergangenheit an. Fein ausbalanciert lässt sich der Mustang in die Kurve werfen, die Lenkung gibt präzise Rückmeldung und ist überflüssigerweise dreistufig einstellbar. Unser favorisierter Modus war die Comfort-Einstellung, vor allem die Variante Sport erwirkte übertrieben hohe Lenkkräfte. Ebenso verschmerzbar wäre auch das Fehlen der übrigen Fahrmodi – wir vergaßen auch bei forcierter Gangart stets, dass es noch einen Sport- und einen Rennstreckenmodus gab.

Verschmerzbar sind da auch die wenigen Kritikpunkte, die bei einem so leistungsstarken Auto zum Kampfpreis von rund 43.000 Euro nunmal nicht ausbleiben. Natürlich sind die verwendeten Kunststoffe im Innenraum weit entfernt von deutschen sogenannten „Premiumprodukten“, ebenso vermissten wir Easy Entry und eine vernünftige Handhabe der Navigations- und Radioeinheit, die zwar mit einem großen Bildschirm gut aussieht, aber dafür mit umso kleineren Druckflächen auf dem Touchscreen kein Muster für Ergonomie ist. Aber: es sieht alles gut aus, die Verarbeitung ist mehr als in Ordnung und vollkommen klapper- und knarzfrei. Kann man mehr von einem Auto verlangen?

Fazit

Nein, kann man nicht. Will man auch gar nicht, zumal der Mustang dank umklappbarer Rückbank und großem Kofferraum sogar als Reise- und Lademeister punkten kann. So bleibt uns als Fazit lediglich, unser Einstiegszitat ein wenig abzuwandeln: wir müssen dieses Auto haben.

Galerie
Technische Daten*

Modell: Ford Mustang GT V8
Motor: Achtzylinder-V, 4.951 ccm
Leistung: 421 PS (310 kW) bei 6.500 U/min
Drehmoment: 530 Nm bei 4.250 U/min
Antrieb: Hinterradantrieb, Sechsgang-Schaltgetriebe
Verbrauch (ECE): 13,5 l S 100/100 Km
Beschleunigung (0 – 100 Km/h): 4,8 s
Höchstgeschwindigkeit: 250 Km/h
Abmessungen (L/B/H): 4,78 m/1,92 m/1,38 m
Gewicht: 1.726 Kg
Grundpreis: 44.000 Euro
Typklassen (HP/VK/TK): 19/28/27

*Herstellerangaben