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McLaren 570S Spider im Test: Offener Feingeist

Supersportwagen mit Mittelmotor, sie galten einst als launisch und im Grenzbereich nur schwer zu beherrschen. Allerdings zeigte man bei McLaren spätestens mit dem MP4-12C, dass es auch anders geht. Gewichtstechnisch hervorragend austariert, äußerst gut motorisiert und mit einer feinen Elektronik versehen war der englische Supersportler ein beinahe alltagstauglicher Rennwagen, mit dem man selbst seine Mutter zum Einkaufen schicken konnte. Die Briten führten das Konzept des MP4-12C (Spider) gekonnt fort und präsentierten im vergangenen Jahr mit dem 570S Spider einen Wagen aus der neuen Sport Series, der eigentlich als Einstiegsdroge in die Welt von McLaren gedacht war – am Ende aber viel mehr ist.

Mit dem McLaren 570S Spider kann man – wie bereits beim Vorgänger – seiner Offenherzigkeit in Form eines exklusiven Automobils Rechnung tragen, sich der Umwelt zeigen oder alternativ die Umwelt auf einen selbst wirken lassen. Wir bevorzugen Letzteres, sehen nicht ein wieso wir 570 PS auf der Münchner Maximilianstraße vergeuden sollten und fahren Richtung Alpenraum. Dabei merken wir schnell, dass der McLaren im Stande ist einen Spagat abzuliefern, den selbst renn-sportliche Mittelklassekombis aus Bayern oftmals nicht hinbekommen: weich zu federn und im Bedarfsfall knallhart (aber nicht bockig) auf der Straße zu liegen.

Wollen wir nun ernsthaft anfangen eine Familienkutsche mit einem Supersportwagen zu vergleichen? Nein, denn die Mehrsitzer mit Kofferabteil würden in vielen Fällen verlieren. Neben der komfortablen Federung im Normal-Modus überzeugt uns ein weiteres Detail – die Lenkung. Zum Glück elektrohydraulisch ist sie ein Garant für direkte und unverfälschte Rückmeldung. Die beispielhafte und sonst so zielgerichtete (elektromechanische) Steuerung eines Sportwagens aus Zuffenhausen, sie muss vor der perfekten Abstimmung des McLaren-Lenkwerks in weiten Teilen kapitulieren.

Der 570S Spider federt also ziemlich gut, lenkt fantastisch und sonst? Sonst versucht er nicht uns umzubringen, was wir für einen Supersportler nahe der 600 PS sehr sympathisch finden. Es ist die fein arbeitende Sicherheits-Elektronik, die Leistung stets bedarfsgerecht bereitstellt und nicht erst dann reagiert, wenn es eigentlich schon zu spät ist. Wie ein samtiges Raubtier tastet der McLaren beim Druck aufs Gaspedal zunächst in Sekundenbruchteilen den Untergrund ab – finden die Reifen ausreichen Grip geht der 570S zum Angriff über und drückt uns mit seinem 3,8-Liter Biturbo-V8 und 600 Nm Drehmoment tief in den Sitz. Spätestens hier und jetzt bekommen wir es zu spüren, das intensive Gefühl in einem verdammt schnellen Wagen zu sitzen.

Freilich kann man die digitalen Fangleinen auch lösen – doch aus welchem Grund sollte man dies tun? Das am Kurvenausgang stets blinkende Lämpchen der Traktionskontrolle verkündet uns mehr als deutlich, dass wir mit der vielen Leistung ohnehin besser sachte umgehen sollten. Mit Netz und doppeltem Boden fährt es sich im normalen Straßenverkehr auch viel entspannter, lässt Zeit das fehlende Häubchen über uns gebührend zu feiern und die Fahrt zu genießen. Zwischen Sylvenstein, Walchensee und Garmisch lassen wir das abendliche Alpenpanorama auf uns wirken, der Duft von frisch gemähtem Gras liegt in der Luft und der herrliche Klang des hinter uns sitzenden Dreiachters liefert eine Gesamtstimmung ab, die kaum zu toppen ist.

Da ist sie also, die automobile Leidenschaft die – angeblich – viele bei einem Produkt aus Woking vermissen. Wir meinen allerdings, dass sich insbesondere der 570S Spider emotional nicht vor einem offenen Wagen aus Maranello verstecken muss und auch in Sachen Innenraum so manchem Italiener ein Stück weit voraus ist. Das handgearbeitete Cockpit sitzt, passt und hat Luft, die angebotenen Materialien wirken stimmig und qualitativ gibt es ebenfalls wenig zu bemängeln. Die Bedienung des Bordcomputers und der Sitze folgen indes jeweils ihrer eigenen Logik und die Position der Außenspiegelverstellung konnten wir bis zum Schluss nicht zur Gänze nachvollziehen.

Umso mehr gefallen hat uns das griffige Lenkrad im McLaren 570S Spider, ohne Schalter, nicht abgeflacht aber dafür mit einer Schaltwippe versehen, die in der Tat noch eine Wippe ist. Nach einiger Zeit hat man sich gleichwohl mit dem – vergleichsweise trägen – Infotainmentsystem angefreundet und fragt sich, wozu andere Hersteller derart viel Klimbim in einem Sportwagen verbauen, welcher nur vom Fahren ablenkt. Wer zwischen München und Frankfurt mit über 300 Stundenkilometern der Nacht entgegenfährt, der braucht weder einen Spurhalteassistenten noch Apple CarPlay.

Zwei Drücker auf das Display genügen und es ist deaktiviert, die Beleuchtung des gut ablesbaren Kombiinstruments wird auf ein Minimum reduziert und sogleich befinden wir uns im Tiefflug auf der Autobahn A8 nach Ulm – bestens asphaltiert und um Mitternacht mit kaum Verkehr gesät. 200 km/h fühlen sich an wie 100, Tempo 250 ist ebenfalls kein Hindernis und wer bei dieser Geschwindigkeit das präzise arbeitende Doppelkupplungsgetriebe bemüht nochmals herunterzuschalten (!), der ist in keiner Zeit auf über 300 Sachen angelangt. Bis der Tacho 315 zeigt kann das Dach offen bleiben, erst wer wirklich die Vmax von 328 km/h ausreizen will, der muss das Verdeck verschließen.

Die Ernüchterung folgt an der Zapfsäule? Nicht ganz. Denn bewegen wir den McLaren 570S Spider im unteren Geschwindigkeitsbereich, zeigt der Verbrauchsrechner einen Wert von erfreulich knausrigen neun Litern Super Plus an. Der vergleichsweise niedrige Spritdurst, das langstreckentaugliche Fahrwerk und die sehr guten Sportsitze machen den 570S damit zum idealen Begleiter für den Weg zur Rennstrecke – und selbstverständlich auch zum Zeitenjäger auf dem Rundkurs selbst.

Fazit

Der McLaren 570S Spider ist ein ziemlich perfekter Sportwagen geworden, brilliert durch seine sanftmütige Power, der hervorragenden Lenkung und einem Fahrwerk, das selbst nach 600 Kilometern am Stück keine Ermüdung beim Fahrer hervorruft. Das offene Fahrerlebnis wird durch das klangvolle Auftreten des 3,8-Liter großen Achtzylinders untermalt, könnte auf langer Strecke allerdings eine Spur gedämpfter sein – ein 570GT Spider wäre hier vielleicht eine logische Ergänzung der Modellpalette. Unterm Strich jedoch – und das nötige finanzielle Polster vorausgesetzt – stellt der offene Feingeist namens McLaren 570S Spider eine erfrischende Alternative zu ähnlich teuren Sportprodukten aus Süddeutschland oder Italien dar.

Technische Daten*

Modell: McLaren 570S Spider
Motor: Achtzylinder-Biturbo, 3.799 ccm
Leistung: 570 PS (419 kW) bei 7.500 U/min
Drehmoment: 600 Nm zwischen 5.000 und 6.00 U/min
Antrieb: Hinterradantrieb, 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe
Verbrauch (ECE): 10,7l SP100/100 Km
Beschleunigung (0 – 100 Km/h): 3,2 s
Höchstgeschwindigkeit: 328 km/h
Abmessungen (L/B/H): 4,53 m/2,09 m/1,20 m
Gewicht DIN: 1.498 Kg
Grundpreis: 208.975,00 Euro

*Herstellerangaben

Bilder: Thomas Vogelhuber