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Britischer Hochadel im Test: Der Range Rover Vogue 5.0

Dürfen wir vorstellen: Der Range Rover Vogue mit 5,0-Liter Achtzylinder-Kompressor, 525 PS und bärenstarken 625 Newtonmetern Drehmoment. Der englische Hochsitz, er fasziniert und polarisiert gleichermaßen. Fünf Liter Hubraum, sie erscheinen heute nicht mehr Zeitgemäß – wer jedoch Polarbären schützen will, der kauft sich schließlich keinen Range Rover V8 oder fährt zumindest den ebenfalls verfügbaren P400e Hybrid. Der große Schiffsmotor im Bug unserer Luxusyacht hingegen, er ist vor allem für stilbewusste Genießer gedacht. Laufruhig, (extrem) durchzugsstark und mit derart guten Manieren versehen, da wird selbst eine fünfsechziger S-Klasse von Mercedes-Benz blass vor Neid.

Wegbegründer einer ganzen Fahrzeuggattung

Der Antrieb, er ist standesgemäß für solch einen Wagen, der seit 1970 in vierter Generation auf der Weltbühne unterwegs ist und sich mit Fug und Recht als Wegbegründer einer ganzen Fahrzeuggattung sehen darf. Ein luxuriöser Geländewagen war er damals, ein luxuriöser Geländewagen ist er geblieben. Vielleicht ist er heute etwas edler, komfortabler und besser ausgestattet als in den ersten Tagen – seine Qualitäten abseits befestigter Straßen sollte man allerdings nicht verkennen. Nach wie vor ist er sich nicht zu schade um über gröbere Wald- und Wiesenwege zu fahren und sei es nur, um den Pferdehänger aus dem Dreck zu ziehen. Auf der Straße brilliert der ultimative Range Rover hingegen mit seiner Ausgewogenheit, einem ziemlich perfekten Fahrwerk und einer hervorragend abgestimmten Automatik.

Zugleich hat man es beim Range Rover geschafft dessen ursprünglichen Charakter zu bewahren. Nicht jede Karosseriebewegung wurde kaschiert und weggefiltert. Uns gefällt, wie wir beim Beschleunigen in den Sitz gedrückt werden, sich der Vorderwagen leicht aufbäumt und uns zu verstehen gibt, dass wir eben in keinem Jaguar F-Type, sondern in einem stattlichen Geländewagen sitzen. Lediglich 5,4 Sekunden vergehen bis der Range Rover Vogue V8 Supercharged aus dem Stand die 100 Stundenkilometer erreicht, weiter geht es mit den aufgezogenen Geländereifen bis auf Tempo 225. Optional stehen mächtige 22-Zöller zur Verfügung, dann mit reinen Straßenpneus und einer Maximalgeschwindigkeit von 250 km/h. Dabei wirkt der Fünfliter-Achtzylinder zu keiner Zeit angestrengt, im Gegenteil könnte es ihm wohl immer ein wenig schneller gehen. Insbesondere das stark reduzierte Fahrzeuggewicht hat ab 2012 maßgeblich dazu beigetragen, dass der Range Rover spürbar an Temperament gewonnen hat.

Nicht nur im Gelände eine Macht

So passt es gut, dass das Terrain Response 2 System, neben diverser Offroad-Modi, auch einen Dynamik-Modus zu bieten hat. Dank einer fortan insgesamt sportlicheren Auslegung des Antriebsstrangs, einer strafferen Federung und durch das (optionale) aktive Sperrdifferential an der Hinterachse geht es – für die Fahrzeuggröße – durchaus flott über wendige Landstraßen. Gleichermaßen profitiert das Handling auf der Autobahn von der Sportstellung, fühlt sich die Straßenlage des Range Rovers insgesamt eine ganze Spur satter an. Die beste Reisegeschwindigkeit liegt irgendwo zwischen 120 und 180 Stundenkilometer, darüber hinaus werden die Trinkgewohnheiten des Kompressor-V8 schnell unverhältnismäßig. Wer sich und seinen Range Rover allerdings im Griff hat, der kommt mit 10,0 bis 13,0 Litern Superbenzin aus.

86 Liter fasst der Tank des Vogue, wir hätten uns für lange Autobahnetappen aber zumindest eine Option auf 100 Liter (und mehr) gewünscht. Der zusätzliche Treibstoff hätte den Vorteil, dass wir uns noch seltener vom edlen und äußerst bequemen Lederpolster erheben müssten, welches auch nach mehreren Stunden Fahrtzeit keinerlei Ermüdungserscheinungen bei den Passagieren auslöst. Das Interieur im generellen ist hochwertig Verarbeitet, der Materialmix aus Leder, Holz und Aluminiumapplikationen sieht nicht nur gut aus, sondern fühlt sich auch so an. Optional stehen klimatisierte Massagesitze für die erste und zweite Reihe bereit, in der nächst höheren Ausstattungslinie Autobiography ist zusätzlich eine Hot-Stone-Massage verfügbar. Die hinteren Sitze lassen sich komfortabel per Knopfdruck (alternativ per App auf dem Smartphone) umlegen und wieder aufstellen. Ein netter Gag am Rande: Der Sonnenschutz des Panorama-Glasdachs, welcher sich per Gestensteuerung auf- und zufahren lässt.

Schöner Wohnen mit neuem Infotainment

Mit der Modellpflege Anfang 2018 wurde auch im großen Range Rover, das bereits aus dem Velar bekannte, Touch pro Duo Infotainment-System mit zwei 10-Zoll-Touchscreens eingeführt. Es fügt sich zwar optisch weitaus harmonischer in den schicken Clubhouse-Innenraum, zeigt bei der Bedienung während der Fahrt allerdings leichte Schwächen. Mangels haptischen Feedbacks fehlt uns oftmals die passende Rückmeldung, die Menüführung ist mitunter zu verschachtelt und leider ist die Sprachführung an feste Kommandofolgen gekoppelt. Serienmäßig an Bord ist ein hochaufgelöster Instrumenteneinsatz, der sich nach Belieben konfigurieren lässt und im Offroad-Modus zusätzliche fahrzeugrelevante Daten anzeigt. Das 825 Watt starke Meridian-Surroundsystem lässt klanglich keine Wünsche übrig – warum man allerdings bei einem mindestens 124.500 Euro teuren Fahrzeug weiterhin ein DAB-Radio zusätzlich ordern muss entzieht sich unserer Kenntnis.

Das in unserem Testfahrzeug verbaute Fahrerassistenz-Paket 2 ist eine sinnvolle Erweiterung der aktiven Fahrsicherheit, arbeitet aber nicht immer fehlerfrei. So reagiert die Verkehrszeichenerkennung oftmals ungenügend, zeigt falsche Werte an und sorgt damit nicht nur einmal für Verwirrung. Der Totwinkel-Assistent greift mitunter sehr rabiat ein, auch wenn keine Gefahr droht – gleiches gilt für den Spurhalteassistenten in engen Baustellenbereichen. Hervorzuheben ist dagegen der adaptive Tempomat, der die Geschwindigkeit feinfühlig reguliert und über einen gut funktionierenden Stauassistenten verfügt. Alle Fahrhilfen lassen sich selbstverständlich deaktivieren und wer von vorn herein keine Bevormundung wünscht, bestellt ein abgespecktes Paket oder verzichtet komplett. Zwei weitere Fahrhilfen konnten wir mangels Offroadgelände nicht testen: Die Terrain Response 2 Automatik und die All Terrain Progress Control sollen helfen, im Gelände Untergründe automatisch zu erkennen, die Fahrzeugeinstellungen entsprechend anzupassen und den Wagen sogar teilweise autonom durch den Matsch fahren zu lassen.

Fazit

Der ultimative Range Rover, wie es Land Rover selbst schreibt, ist auch in unseren Augen der ultimative Geländewagen. Nun mögen sich die Mercedes-Jünger auf den Schlips getreten fühlen, haben wir nur eine S-Klasse erwähnt, nicht jedoch den kernigen G-Wagen. Das hat seine Gründe, spielt insbesondere der Range Rover Vogue V8 Supercharged in einer ganz eigenen Fahrzeugliga. Wir meinen das nicht abwertend gegenüber dem Daimler, doch so viel offroadtauglichen Luxus in einem solch ansehnlichen Aluminiumkleid verpackt – das hat selbst die neue (alte) G-Klasse nicht zu bieten. Aber sogar der Beste der Besten kommt nicht ohne Kritik aus, schwächelt bei den Assistenzsystemen genauso wie bei der Bedienung der beiden riesigen Touchscreens. Die elementaren Dinge hat Land Rover allerdings richtig gemacht und trotz der Tatsache, dass wir vor einer waschechten Luxuslimousine stehen, wurde der ursprüngliche Land-Rover-Charakter nicht verwässert. Der aktuelle Range Rover Vogue macht seinem Namen alle Ehren – aber bitte nur echt mit einem Achtzylinder-Ottomotor!

Technische Daten*

Modell: Range Rover Vogue 5.0 Liter V8 Supercharged
Motor: Achtzylinder-V-Motor, Kompressor, 5.000 ccm
Leistung: 525 PS (386 kW) bei 6.000 – 6.500U/min
Drehmoment: 625 Nm zwischen 2.500 und 5.500 U/min
Antrieb: Allradantrieb, Achtgang-Automatikgetriebe
Verbrauch (WLTP): 13,3 – 13,5 l S /100 Km
Beschleunigung (0 – 100 Km/h): 5,4 s
Höchstgeschwindigkeit: 225 Km/h (optional 250 Km/h)
Abmessungen (L/B/H): 4,99 m/1,98 m/1,83 m
Gewicht: ca. 2.400 Kg
Abgasnorm: Euro 6 d-TEMP
Grundpreis: 124.500 Euro

*Herstellerangaben

Bilder: Thomas Vogelhuber