Driven: Chrysler 300C Touring SRT8

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Wie konnte es soweit kommen? Ich sitze hier, die Hände panisch ins Lenkrad gekrallt, mein Herz schlägt im gleichen Rhythmus wie der riesige V8 einen halben Meter vor mir und ohne das Erdbebenartige Zittern dieses Monsters will und kann ich nicht mehr leben. Nein, ich werde den 300C SRT8 nicht zurückgeben. Zu schön waren die letzten zwei Wochen, in denen wir uns kennen und lieben gelernt haben. Doch der Reihe nach.

Eines Morgens stand er vor der EVOCARS-Redaktion – der dicke, fette Ami mit dem größten Aggregat, das Chrysler zu bieten hat unter der Haube. Satte 6,1 Liter Hubraum misst der V8-Hemi (hemisphärische, also halbkreisförmige Brennräume), den die Jungs zwischen die Vorderräder gestopft haben. So muss das sein. Nichts gegen den 5,7er, aber nur als SRT8 kommt dem 300C Touring die Rolle zu, die er verdient: Er ist das Schlachtschiff von der linken Spur, vor dem sogar M5 und E63 weichen müssen. Doch dazu später mehr. Fürs Erste will ich mich mit dem imposanten Auftritt des 64.590 Euro (Basis) teuren Zweitonners – seinem Alleinstellungsmerkmal – beschäftigen.

Tief kauert sich der fünf Meter lange Kombi zwischen die gewaltigen 20-Zöller. Die Alus reichen fast zum Schritt des Betrachters, die Motorhaube ist auch nicht viel höher. 255er Schlappen hat Chrysler der SRT8-Version spendiert, ob die dem Drehmoment von 569 Nm standhalten können, muss sich allerdings noch zeigen. Für ausreichend Bremsleistung sollte angesichts der 360 mm messenden Bremsscheiben (hinten: 350 mm) nebst passender Brembo-Backen jedenfalls gesorgt sein.

Weiter geht’s zum mit zwei armdicken Endrohren bestückten Heck. Rechts prangt der SRT8-Schriftzug, die Heckscheibe ist schwarz getönt und wenn’s der Fahrer krachen lässt, dann helfen hier nur noch Ohrenstöpsel. So muss das sein. So und nicht anders. Stöpsel raus und flink zur Front – dem Wellenbrecher und Linke-Spur-Räumer. Der gigantische Grill, gerahmt von biestig-bläulich funkelnden Xenon-Strahlern räumt schon beim ersten Anblick den Weg frei. Die zusätzlichen Nebelscheinwerfer in der Schürze gestalten den Auftritt der 300C noch imposanter. Im Rückspiegel eines vorausfahrenden MX-5 ergibt sich so ein formatfüllendes Gesamtkunstwerk mit viel Chrom und noch mehr Licht. Platz da!

Und innen? Ami-Plastik-Wüste oder deutsche Gründlichkeit? Weder noch. Der 300C Touring verwöhnt zwar mit nicht zu bemängelnder Verabeitungs-Qualität, guter Haptik und Ergonomie, an die heimische Konkurrenz aus A6 und Co. kommt er aber nicht heran. Angesichts des Preisvorteils von 24.000 Euro zum ähnlich motorisierten Ingolstädter und deren 35.000 Euro zum 507 PS starken M5 Touring sei ihm das jedoch verziehen. In Puncto Laderaumvolumen (630 Liter) und Style übertrumpft er die beiden Teutonen außerdem deutlich (565 / 500 Liter). Das trifft allerdings auch auf den Verbrauch zu. 14,1 Liter Super Plus gibt Chrysler für den SRT8 im Drittelmix an, das EVOCARS-Team kam auf appetitliche 15,5 Liter. Tja …
Begünstigt wurde der aggressive Gasfuß noch durch den satten Metal-Sound aus der verbauten Hammer-Anlage, die als kleines Extra aus dem Kofferraum durch einen wummernden Subwoover zu den Insassen spricht. Wer Karre und Mucke aufreißt, bekommt so die Doppelpackung: tiefer Sound von Monster Magnet oder Marilyn Manson innen, wild-gefährliches Fauchen vom V8 draußen. Gänsehaut garantiert.

Mit breit geschwellter Brust, 430 PS unterm Arsch und ohne Angst vor obig erwähnten deutschen Autobahn-Brennern ballern wir am dritten Tag des SRT8-Gastspiels zur A7. Eingetragen ist der Ami mit stattlichen 265 km/h Spitze, kann somit fast allen anderen Verkehrsteilnehmern davonfahren. Wenn das mal nicht ein Stich in Richtung Ingolstadt, München und Stuttgart ist. Uns ist’s recht. Sehnsüchtig erwartet, nähert sich das Unbegrenzt-Schild. Bei entspannten 130 treten wir das Gaspedal aufs Blech. Die Fünfgang-Automatik schaltet knackig zurück, der Motor brüllt auf und der blaue Koloss rennt gen Horizont (5,4 sek. bis 100). 200, 220, 240 werden passiert und die Nadel wandert weiter. Auf gerader Strecke sind laut Tacho 270 Sachen problemlos möglich (siehe Video). Wer mehr Auslauf hat, dürfte auch die 280 Knacken. Nach oben sind jedenfalls noch über 1.000 Umdrehungen frei. Na, wenn das kein Kaufargument ist.

Wir jedenfalls sind restlos begeistert. Doch genug der Krawall-Orgie, zurück geht’s tief-brummelnd über heimische Landstraßen. Cruisen mit 110, kurze Zwischensprints und das Ernten neidischer Blicke bei jeder Dorfdurchfahrt – so kann das bleiben. Den Versuch, unseren Zweitonner betont sportlich durch enge Kurven zu werfen oder Cayman und Co. zu zeigen wo der Hammer hängt, haben wir schnell wieder aufgegeben. Nein, dass ist des Amis Sache nicht (was zu erwarten war). Aus dem Stand mit druchgetretenem Pedal auf über 200 preschen liegt ihm umso mehr. Selbst beim Wechsel vom zweiten in den dritten Gang gibt’s noch ein Markenzeichen auf dem Asphalt.

Viel zu schnell vergeht die zweiwöchige Testperiode im Hause EVOCARS und schon müssen wir den SRT8 wieder abgeben. Doch halt – der Übergabe-Ort ist BERLIN und somit gut 300 Kilometer Autobahn von Hamburg entfernt. Am Samstagmorgen um fünf Uhr mache ich mich auf den Weg in die Hauptstadt, lege zwischendurch einen Stopp auf freier Strecke ein und prügel das Dickschiff noch einmal aus dem Stand auf Tempo 230 (siehe Video) . Ach, könnte der Ami doch für immer bei uns bleiben … und jemand anders die Spritkosten übernehmen 🙂