Driven – Nissan GT-R Modell 2012

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Wenn es nach der Leserschaft von evocars geht, kann man nie genug Leistung in einem Fahrzeug haben. Selbst Sportwagen mit serienmäßigen 300 und mehr Pferdchen unter der Haube werden häufig als rollende Schikanen abgestraft, die maximal zum Mitschwimmen im Straßenverkehr taugen. Wir haben verstanden und stellen fest: Das Leben beginnt also erst jenseits der 500 PS. Doch die Frage darf gestellt werden: Wo findet dieses Leben eigentlich statt? Steigende Verkehrsdichte, vermehrte Geschwindigkeitsbegrenzungen und exorbitante Benzinpreise verderben zunehmend den Spaß an der Leistung und selbst gängige Rennstrecken reichen häufig nicht mehr aus, um die hochgezüchteten PS-Protze ausreizen zu können. Und doch: Man kann mit einem 550 PS starken Sportler auch heute noch mächtig Spaß in unserem Ländle haben. Wie unser ausgiebeige Test mit dem Nissan GT-R beweist.

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Viel muss man über den Nissan GT-R nicht sagen. Man kennt den 2007 erschienen Sportwagen als direkten Ahn der berühmten Nissan Skyline Familie, deren Spitzenmodelle mit Namen GT-R seit den 70er Jahren auch außerhalb Japans für Furore sorgen. Doch was mit 485 PS Anfang 2008 – erstmalig auch linksgelenkt – auf den deutschen Markt begann, wurde 2010 auf 530 PS verfeinert und hat seit Anfang 2012 mit 550 PS die vorerst letzte Ausbaustufe erreicht – stärker ist auch das kürzlich angekündigte Modell für 2013 nicht. Zwar soll der neue GT-R nochmals schneller sein, doch angesichts der widrigen Witterungsverhältnisse, bei denen wir unseren Tester übernehmen durften, scheinen auch die 550 PS vollkommen ausreichend. Und ja, selbst über die aufgezogenen Winterreifen waren wir angesichts von Schnee und Regen im Wechsel durchaus dankbar auch wenn damit der Vortrieb leider auf 240 km/h limitiert war.

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Doch wie erlebt man in diesem japanischen Sportwagen der Extraklasse den automobilen Alltag? Vor allen Dingen sehr gelassen. Das Wissen um einen der technisch aufwendigsten Allradantriebe mit variabler Drehmomentverteilung in Kombination mit zwei Sperrdifferenzialen und einem sechsstufigem Transaxle-Doppelkupplungsgetriebe lässt einen bei jedem Ampelstart milde lächeln. Nicht zuletzt dank seiner Präsenz in Games wie Gran Turismo 5 wird Godzilla im Straßenverkehr sofort erkannt, doch nur wenige können sich vorstellen, wie schnell er außerhalb der digitalen Welt tatsächlich ist. Anderes ist es wohl nicht zu erklären, dass uns so viele Verkehrsteilnehmer mit  aufheulendem Motor oder schleifender Kupplung an roten Ampeln zum Dragrace herausfordern. Es sei an dieser Stelle versichert: Dieser Nissan kann immer!

Dafür müssen weder zusätzlichen Tasten gedrückt, noch irgendwelche Anzeigen im riesigen Multifunktionsdiplay in der Mittelkonsole umprogrammiert werden. Es reicht völlig, den rechten Fuß auf Pedal zu senken und das Lenkrad gut festzuhalten. Dann steht man mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch an der nächsten Ampel wieder als Erster – wenn’s drum geht auch dutzende Male nacheinander. Denn die Brembo-Zangen verbeißen sich im Alltag stets zuverlässig in die 390mm messenden Bremsscheiben.

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Ist der Nissan GT-R also ein unverwundbarer Samurai ohne Schwächen im Alltagsbetrieb? Nein, denn speziell bei Nässe spürt man auf kleinen verwinkelten Kreisstrassen, dass Godzilla zu schwer (1.784 kg), zu lang (4.650 mm), zu breit (1.895 mm) und Dank seines 3,8-Liter-Biturbo-Motors eigentlich auch viel zu stark ist für diese Form der Kurvenhatz. Das beweist nicht nur das englische Magazin autocar.co.uk im unten angehängten Videoclip sehr eindrucksvoll, sondern zählt auch zum neu gewonnenen Erfahrungsschatz der evocars-Redaktion. Gewonnen wurde diese Erkenntnis bei dem Versuch, einem MINI John Cooper Works bei eben solchen Witterungsbedingungen auf einer unserer Lieblingsstrecken zu folgen.

Fazit: Die auf 20 Zoll großen Felgen montierten 255er Vorder- und 285er Hinterreifen schaffen es einfach nicht, genügend Wasser zu verdrängen um die unbändige Kraft des Boliden auf die Straße zu bekommen. Die Folge ist ein ständig auskeilendes Heck. Und am Kurveneingang wird die Situation nicht einfacher. Irgendwie muss die Geschwindigkeit des vierrädrigen Sumoringers vernichtet werden und da wird dem GT-R seine Kopflastigkeit zum Verhängnis. Denn er schiebt unter diesen Bedingungen immer leicht untersteuernd in die Kurve, nur um den Fahrer ab dem Scheitelpunkt wieder vor das Problem des Poweroversteers zu stellen – mittlerweile ist der MINI selbstredend wieselflink aus dem Blickfeld verschwunden.

Doch die Größe hat auch Vorteile. Nissan-San hat einen vollwertigen Kofferraum, eine sehr gute Sitzposition und hat man die Dämpfereinstellung auf „Comfort“ gestellt, bestraft er einen auch nicht mit unerträglicher Härte im Stadtverkehr. Nur rückwärts Einparken ist eine wirklich harte Strafe. Es ist nicht nur die Tatsache, dass die Rückfahrkamera die Unübersichtlichkeit des Coupés nur leicht zu kaschieren weiß – nein! Es ist dieser fürchterliche Piepton, der sich beim Einlegen des Rückwärtsganges sofort als Warnsignal zuschaltet. Unwillkürlich kommen wir uns vor wie am Steuer eins rangierenden 40-Tonners. Doch dieser Kritikpunkt ändert nichts an der Antwort auf unsere eingangs gestellte Frage.

Nämlich der nach dem automobilen Leben jenseits von 500 PS. Im Nissan GT-R findet es völlig entspannt mitten unter uns statt – allerdings selten mit vollem Leistungseinsatz. Denn da nicht täglich Fast and Furious ist, reicht in der Regel Halbgas, um schon viel Spaß zu haben. Doch ein Punkt vermiest die Freude am GT-R gewaltig: Die abstrusen Benzinverbräuche, die nur mit höchster Selbstkasteiung unter 16 Liter gebracht werden können, aber noch oben auch jenseits der 20-Liter-Marke keine Grenzen kennen. Und das natürlich nur vom edelsten Saft ab 100 Oktan aufwärts.

Technische Daten:

Modell: Nissan GT-R
Motor: V6-Turbo-Benziner, 3799 ccm
Leistung: 550 PS
Drehmoment: 632 Newtometer
Antrieb: Allrad, Sechsang Transaxle-DKG,
Verbrauch*: 11,8 L/100 Km Super+
0-100 km/h*: 2,8 sek.
Vmax*: 315 km/h
Preis: ab 92.400 Euro

* (Werksangabe)

Pics: Andy Wiezorek

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