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Kombinations-Kraftwagen: der Audi RS 4 Avant (2018) im Test

Kennt noch jemand den Porsche 959? Den Hardcore-Sportwagen aus Zuffenhausen, der mit seinem revolutionären Allradantrieb, seinem 6-Zylinder-Boxermotor samt Biturbo-Aufladung und seinen 450 PS fahrdynamisch so ziemlich alles zerlegte, was 1986 sonst noch so auf den Straßen herumgefahren ist? Bill Gates hatte einen, Boris Becker auch und selbst der Sultan von Brunai soll seinen Spaß im Über-Porsche gehabt haben. Das Jahr 1986 ist bekanntlich lange her und 32 Jahre später muss man kein Promi mehr sein, um sich einen solch stark motorisierten Wagen leisten zu können. Es genügt, dem lokalen Audi-Händler mindestens 80.700 Euro zu überweisen und fortan fährst du im Audi RS 4 mit einem mittlerweile 15 Mal teureren Porsche 959 um die Wette – wetten?

Denn die 600 Newtonmeter Drehmoment des Audis toppen gar die 500 des Porsches, von 0 auf 100 km/h geht es in beinahe gleich schnellen 4,1 Sekunden und nur jenseits der 200 km/h Marke könnte das Zuffenhausener Museumsstück dann allmählich die Nase vorne haben. Denn anders als der Audi ist der Porsche nicht abgergelt. Bei 317 km/h sticht der Ober den auf optionale 280 km/h limitierten Unter schlussendlich deutlich. Die Schmach bleibt aber gering, wissen wir doch um die technische Kooperation mit Zuffenhausen, die den aktuellen Audi RS 4 antreibt. Sein 2,9-Liter Biturbo-V6 ist zusammen mit Porsche entwickelt worden, debütierte im aktuellen Panamera und leistet bereits seit längerem gute Dienste im RS 5.

Und so hat es Audi mit dem neuen Biturbo-Herz nicht nur geschafft, einen Hauch des ersten RS 4 in die aktuelle RS-Generation einfließen zu lassen, sie schlagen mit der Sportwagen-Kooperative auch die Brücke zum mittlerweile legendären RS 2 und dessen von Porsche modifizierten 5-Zylinder-Turbomotor. Aber auch fahrtechnisch erkennen wir im Audi RS 4 Avant viel Porsche. Der RS-Kombi ist dabei keine Diva wie der 959, kein Biest wie ein turbo S und bei weitem nicht so radikal wie ein leergeräumter GT3 – doch er vermittelt sehr viel württembergische Dynamik, die im Grenzbereich dann eben doch fordern kann und auf die Könner unter den Familienvätern ausgerichtet ist.

Parken wir Zuffenhausen weiter hinten in unserem Gedächtnis und erinnern uns an die alten Sport-Quattros, die höllisch schnell sein konnten –  aber eben auch oftmals höllisch gefährlich waren. Vor allem dann, wenn man es übertrieben hatte am Kurveneingang. Ganz gleich ob bei Regen, Schnee oder trockenem Asphalt – verlierst du die Kontrolle über einen Allrad, darfst du nicht denken, sondern musst deinen Erhaltungstrieb arbeiten lassen der hoffentlich weiß was er da tut. Trotz RS-Dynamikpaket, trotz aktiviertem ESP-Fangseil – tänzelst du mit dem Audi RS 4 im späten Grenzbereich (und darüber hinaus), bekommst du es mit den vehementen Gesetzmäßigkeiten der Phsyik zu tun.

Es ist das satte Leergewicht von 1.790 Kilogramm das dich sehenden Auges aus dem Kurvenscheitel drängen möchte, und die zu leichtgängige Lenkung die es dir schwer macht das ausbrechende Kombiheck wieder einzufangen. Der heckbetonte Quattro-Antrieb ringt merklich um Fassung, das im Dynamikmodus zu hart abgestimmte DRC-Fahrwerk versteift mit aller Gewalt die kurvenäußeren Dämpfer – und haut dir dann zu allem Überfluss noch die Elektronik eine rein, darfst du dir aussuchen ob du den Baum siehst oder hörst, in den du gleich einschlagen wirst.

Es ist nicht so schlimm wie beim ersten Audi TT Anfang der 2000er. Der RS 4 wird auf der Autobahn nie rückwärts daherkommen und der Grenzbereich ist sehr, sehr weit oben angesiedelt. Doch sollte sich jeder bewusst sein, dass allradgetriebene 450 PS und 600 Newtonmeter Drehmoment in einem Familienkombi durchaus anspruchsvollen Rennsport bedeuten können. Fährt man hingegen nur auf der Autobahn schnell, ist der letzte Absatz beinahe nichtig. Denn geradeaus und leicht geschlängelt ist der RS-Avant immer oben auf. Die Kassler Berge, jetzt neu die ausgebaute Wertheim-Piste und natürlich die langen Geraden der ICE-Strecke bei Nürnberg sind des Quattros Revier. Hier kann er die M-BMW und AMG-Mercedes jagen, sich profilieren und zeigen aus welchem Holz so ein RS 4 geschnitzt ist.

Und in der Tat, die Vehemenz und das Durchzugsvermögen des Biturbo-V6 sind gewaltig. Dabei spielt es keine Rolle ob man 150, 220 oder 250km/h fährt – Leistung steht immer und im ausreichenden Maße zur Verfügung. Sie lässt sich durch die Achtgangautomatik von ZF hervorragend dosieren, auf manuelle Schaltbefehle wird blitzschnell reagiert und ganz wichtig für einen Sportwagen: es wird im Begrenzer nicht elektronisch weitergeschaltet. Ein weiterer Punkt in der Prioritätenliste: der Motorsound.

Wir tun uns an dieser Stelle allerdings schwer, lobende Worte für die Abgasklänge zu finden. Der alte Vierzweier hat die klangliche Messlatte eben ziemlich hoch gelegt, ein V6-Turbo kommt hier freilich nicht heran. Es brabbelt, schnauft und rotzt zwar immer noch – doch erweckt die Soundkulisse einen mehr als künstlichen Eindruck und dass beim Herunterschalten gar die Mittelkonsole vibriert passt nicht zum grundlegend unaufgeregten Charakter des RS 4. Hier hätten wir uns ebenfalls ein wenig mehr Traditionsbewusstsein gewünscht – beim ersten RS 4 B5 hat schließlich auch niemand ob dem fehlenden Gebrüll gemeckert.

Es folgt zum Schluss der Blick in den wohldesignten Innenraum des Audi RS 4. Platz für Vier ist zu Genüge und der Kofferraum transportiert nicht nur automobile Leidenschaft, sondern im Bedarfsfall gar einen Kinderwagen nebst Gepäck. Die Detailverliebtheit ist über jeden Zweifel erhaben und generell müssen wir die Verarbeitungsqualität in höchsten Tönen loben. Innenraum und Bedienung sind überwiegend aus dem zivilen Audi A4 bekannt und so fallen in erster Linie die gut passenden RS-Sportsitze, das abgeflachte RS-Lenkrad mit seinen billigen Schaltwippen und die etwas klanglose Bang & Olufsen Soundanlage ins Auge bzw. ins Ohr. Zugeben, es sind kleine Punkte die uns aufgefallen sind – doch bei einem Testwagenpreis von rund 110.000 Euro erlauben wir uns ein wenig Feinkritik. Assistenten hat der RS 4 optional ebenfalls einige an Bord, der ambitionierte Selbstfahrer wird aber maximal die Schildererkennung im Auge behalten und sich nur im Extremfall vom radargestützten Staupiloten durch den Feierabendverkehr chauffieren lassen.

Fazit

Wir haben zu Beginn des Artikels den Vergleich zum legendären Porsche 959 gezogen, haben die Nähe zum ersten RS 4 B5 angesprochen und konnten selbst einen Hauch RS 2 wiedererkennen. Sportlich und traditionsbewusst ist der aktuelle RS 4 also, doch auch seine Alltagstauglichkeit darf an dieser Stelle nicht vergessen werden. Denn den breiten Spagat zwischen Sportwagen und Familienauto schaffen in dieser Fahrzeugklasse nicht viele Autos. Wenngleich der allradgetriebene Grenzbereich nur etwas für die Könner unter den Familienvätern ist, brilliert der RS 4 im überwiegenden Alltagsgeschehen mit seiner fahraktiven Sicherheit, dem satten Durchzugsvermögen des Biturbo-V6 und selbstredend durch das großzügige Ladevolumen des Kombihecks.

Technische Daten*

Modell: Audi RS 4 Avant 2,9 TFSI quattro
Motor: Sechszylinder-V, Biturbo, 2.894 ccm
Leistung: 450 PS (331 kW) zwischen 5.700 und 6.700 U/min
Drehmoment: 600 Nm zwischen 1.900 und 5.000 U/min
Antrieb: Allradantrieb, Achtgang-Automatikgetriebe
Verbrauch: 8,8 l SP/100 Km
Testverbrauch: 11,9 l SP /100 Km
Beschleunigung (0 – 100 Km/h): 4,1 s
Höchstgeschwindigkeit: 250 Km/h**
Abmessungen (L/B/H): 4,78 m/1,86 m/1,40 m
Gewicht: 1.790 Kg
Grundpreis: 80.700 Euro
Testwagenpreis: 109.555 Euro

*Herstellerangaben
** optional 280 Km/h

Fotos: Thomas Vogelhuber für evocars