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Das Beste aus zwei Welten: der Fiat 124 Spider im Test

Was waren nicht nur wir hocherfreut, als Fiat im Jahr 2015 ankündigte, wieder einen waschechten offenen Zweisitzer bauen zu wollen. Mit Hinterradantrieb und Stoffverdeck sowie wenig Gewicht der Traum aller italophilen Autofahrer. Dazu sollte er von qualitätsvernarrten Japanern bei Mazda gebaut werden, das Design aber eigenständig sein. Wir sahen hier damals schon die perfekte Arbeitsteilung: für Montage und Unterbau würde Mazda, für Design und Antrieb Fiat zuständig sein. Der Name des kompakten Traumwagens? Klar eine Reminiszenz an vergangene Zeiten: 124 Spider. Sie wissen schon ganz genau, wie man uns ködern kann. Die Zulassungszahlen sprechen für sich – auch wenn der neue Fiat nur knapp die Hälfte von denen erreicht, die der neue MX-5 vorweisen kann.

Doch ist der 124 Spider wirklich ein echter Italiener oder lediglich ein Opfer des von vielen so verhassten „Badge Engineering“? Das wollten wir herausfinden – ganz bewusst mit der Standardvariante und gerade nicht mit dem aufgebrezelten Abarth 124, der zwar verdammt reizvoll ist, aber preislich und optisch in einer deutlich anderen Liga als Mazda oder Fiat spielt. Letzterer setzt anders als der MX-5 unter der formschönen langen Haube auf einen alten Bekannten: den 1,4 Liter großen Turbomotor kennen wir so und in diversen Abwandlungen bereits ausgiebig aus den scharfen Abarth 595 respektive 695 Modellen – im 124 Spider leistet er 140 PS und 240 Newtonmeter Drehmoment. Was bedeutet, dass der Fiat einen satten Vorteil von 40 Newtonmetern im Vergleich zur größten Variante des MX-5 hat, die mit einem Zweiliter-Sauger antritt.

Mit diesem Wissen gehen wir auf den Italiener im schimmernden Dreischicht-Ghiaccio Bianco (1.300 Euro) zu und müssen gestehen: die 18 Zentimeter längere Karosserie und die etwas breitere Spur stehen dem Zweisitzer überragend. Der 124 Spider wirkt dank längerer Überhänge wie ein vollkommen anderes Auto im Vergleich zum MX-5, der uns mit klassisch japanischem Design zwar ebenfalls überzeugte, aber gegen den Italiener etwas unbeholfen und hochbeinig dasteht. Der Fiat wirkt erwachsener und kann seinen Längenvorsprung sogar praktisch umsetzen: neun Liter mehr als der des MX-5 fasst sein Kofferraum – bei den ansonsten nach wie vor begrenzten Platzverhältnissen ist jedes Plus direkt positiv zu vermerken. Im Übrigen bleibt es allerdings, Sie ahnen es, beim leider etwas knappen Innenraum ohne echte Ablagemöglichkeiten. Das teilt sich der Fiat mit seinem japanischen Kollegen.

Wer sich in die feinen Ledersitze (Serie bei Ausstattungsvariante Lusso) gefaltet hat, wird schnell feststellen, dass sich hinter dem Volant so gut wie nichts geändert hat. Sämtliche Bedienelemente und Anzeigen sitzen an ihrem Platz, sind ordentlich (bis auf den Lautstärkeregler des Radios) erreichbar und die Bedienung erschließt sich schnell und unkompliziert. Auch die Verarbeitung macht einen ebenso guten Eindruck wie die des Mazda MX-5. Nach dem Druck auf den Startknopf erwacht der Fiat-eigene Einsvierer zum Leben – und könnte dabei durchaus etwas sportlicher klingen, vor allem wenn man weiß, wie gut er sich anhören kann, sobald Abarth einmal Hand angelegt hat.

Und doch ist der Klang das einzige Manko an diesem tollen Motor, der den deutlich größeren Saugerkollegen im Japaner trotz nominell 20 Pferdchen weniger in allen Lebenslagen in den Schatten stellt, wenngleich Gasannahme und Drehfreude selbstredend ein Quäntchen niedriger liegen. Vor allem sind es die 40 Newtonmeter mehr, die aus dem Fiat ein gänzlich anderes und umso souveräner motorisiertes Fahrzeug machen. Leichtfüßig zieht der Vierzylinder durch das Drehzahlband, legt ab 3.500 Umdrehungen pro Minute kräftig zu und fördert damit sowohl auf der Landstraße als auch auf der Bundesautobahn deutlich mehr Fahrfreude zu Tage. Erst oberhalb von 180 Stundenkilometern geht ihm langsam die Puste aus, doch bis dahin sorgt der Italiener mit japanischen Wurzeln einmal mehr für ungläubiges Augenreiben hinter dem Volant. Selbst abseits von langen Geraden ist der Turboschub kein Hindernis, wenngleich die Leistung selbstredend nicht so punktgenau dosierbar ist und daher desöfteren für einen leichten Heckschwenk sorgt, wobei die Leistung leider mangels Sperrdifferential dort – an der Hinterachse – verpufft.

Doch beim fröhlichen Wedeln durch enge Kurven macht der 124 ebenso Freud wie der Mazda MX-5. Hierbei hilft ihm das nach wie vor super knackige Getriebe mit überkurzen Schaltwegen, dem man kaum anmerkt, dass es von der Vorgängergeneration des MX-5 herrührt. Der zweite Gang war lediglich bei Temperaturen von deutlich unter Null auf den ersten Metern nicht einzulegen und die Abstufung der unteren Gänge könnte für den weniger elastischen Turbomotor etwas kürzer sein. Die Lenkung ist ebenso direkt wie präzise und auch auf Winterreifen erreichten wir hohe Kurvengeschwindigkeiten – dank guter Gewichtsbalance flößt der 124 Spider schnell Vertrauen ein.

Fazit

Womit wir bereits am Ende unseres Testberichts und direkt beim richtigen Stichwort gelandet sind: Vertrauen. Die von dem Verlust desselben in den vergangenen Jahrzehnten (vor allem auf dem deutschen Markt) gebeutelten Italiener haben mit dem 124 Spider alles richtig gemacht. Dank eigenständigem Design, einigen räumlichen und auch optischen Vorteilen und nicht zuletzt mit seinem Turbomotor ist aus dem Fiat ein eigenständiges Modell geworden, das die richtigen Komponenten mit dem Mazda MX-5 teilt und mit einer ordentlichen Portion „Passione“ würzt. Preislich schenken sich beide nicht viel und auf das Sperrdifferential kann man für den Wochenendausflug gegebenenfalls verzichten. Selbst der Verbrauch bewegte sich mit Werten zwischen sieben und acht Litern pro 100 Kilometer im üblichen Rahmen, sodass wir fordern: Mehr Mut zum Fiat!

Technische Daten*

Modell: Fiat 124 Spider Lusso
Motor: Vierzylinder-Reihenmotor, 1.368 ccm
Leistung: 140 PS (103 kW) bei 5.000 U/min
Drehmoment: 240 Nm bei 2.250 U/min
Antrieb: Hinterradantrieb, Sechsgang-Schaltgetriebe
Verbrauch (ECE): 6,4 l S 100/100 Km
Beschleunigung (0 – 100 Km/h): 7,5 s
Höchstgeschwindigkeit: 217 Km/h
Abmessungen (L/B/H): 4,08 m/1,74 m/1,23 m
Gewicht: 1.125 Kg
Grundpreis: 26.990 Euro
Typklassen (HP/VK/TK): 14/21/22

*Herstellerangaben

Bilder: Maximilian Planker