Oberklasse: Toyota Camry Hybrid Executive im Test

Sie haben ihn wahrscheinlich noch nie auf der Straße gesehen. Wir auch nicht – bis zu unserem Test. Was eigentlich schade ist. Denn der neue Toyota Camry Hybrid ist nicht nur in der Executive-Ausstattung ein schönes Auto: Eine gestreckte Silhouette, eine wirklich elegante große Limousine. Keine Spielereien, keine Kirmes, sondern Diskretion, Schlichtheit und Stil.

Der Camry kann sich sehen lassen

Dass man ihn aber nicht sieht, liegt zum einen daran, dass es ihn jetzt gut 15 Jahre nicht mehr in Deutschland gegeben hat, zum anderen, dass Toyota hierzulande in diesem Jahr gerade einmal mit 500 Einheiten rechnet. Nach 14 Tagen im großen Japaner können wir allerdings nicht so recht nachvollziehen warum.

Denn um es vorweg zu nehmen: der neue Toyota Camry ist ein fantastisches Auto. Und ja, auch wenn wir uns sonst mit Lobeshymnen zurückhalten, hier darf sie in diesem Fall mit Recht stehen. Denn die große Hybrid-Limousine hat uns nachhaltig beeindruckt.

Und das sogar im wahrsten Sinne des Wortes. Denn die neue Generation des Toyota Hybridsystems ist ein großer Wurf. Die Basiszutaten bleiben bestehen: Ein hocheffizienter Atkinson-Verbrenner kombiniert mit zwei Elektromaschinen und einem Planetengetriebe. Während die große Elektromaschine mit 120PS für Vortrieb sorgt, sortiert die Kleine im Planetengetriebe die nicht vorhandenen Gänge.

Was komisch klingt – und bis heute noch immer den Tadel vieler Kritiker auf sich zieht – ist im Grunde die bestmögliche Lösung für die mechanische Verknüpfung von Verbrenner und Elektromotor. Kein komplexes Getriebe mit viele Schaltstufen, schon gar kein CVT-Automat mit fiesen Schubkegeln – stattdessen ein schlanker Planetensatz, dessen Ausgangsdrehgeschwindigkeit locker vom zweiten E-Motor bestimmt wird.

Der Vorteil zum Einen: es ist eine simple und dadurch leichte wie robuste Lösung. Zweitens: Der Benziner kann immer im optimalen Betriebspunkt gefahren werden. Er muss sich nicht durch die Gänge quälen, sondern kann immer dort arbeiten, wo am meisten Arbeit pro eingesetzter Energie abfällt.

Und da wären wir dann auch schon bei der absoluten Paradedisziplin des Dynamic Force genannten Hybrid-Systems: der Effizienz. Wer will fährt den großen Camry in der Stadt ganz locker mit 4.0 Litern auf 100 Kilometer. Denn dort, wo alle anderen Verbrenner das Saufen anfangen, weil sie ständig beschleunigen, abbremsen, halten und das Ganze von vorne machen müssen, flüstert der Toyota ganz leise an ihnen vorbei, rekuperiert, wartet und säuselt wieder von der Ampel weg.

Er fährt nicht weit, aber oft

Es ist egal, dass die Hybridbatterie keine 1,5kWh an Kapazität hat, denn der Camry fährt nie weit elektrisch, er fährt dafür oft elektrisch. In der Stadt über 50% der Zeit sagen die Statistiker von Toyota. Und wir glauben das gern. Denn gerade der innerstädtische Bereich, Geschwindigkeiten um 50km/h und keine drei- bis vierhundert Metern zwischen den Ampeln, schlägt die Stunde von elektrischer Beschleunigung und Rekuperation.

Und die 202Nm des Elektromotors reichen locker aus um ganz locker im Verkehr mitzuschwimmen. Man ist sogar schneller als die meisten anderen an der Ampel, weil der Camry eben nie schalten muss und sein Drehmoment ansatzlos zur Verfügung stellt. Und kommt dann außerorts der Verbrenner hinzu, wird die Sache nicht schlechter. Denn das hochverdichtete 2.5 Liter Saugtriebwerk ist ein echter Streber. 14,0:1 verdichtet, mit Saugrohr- und Direkteinspritzung, mit vollvariablem Ventiltrieb auf Ein-, wie Auslassseite spielt er das hohe Lied der Motorenbaukunst. Dabei kann er trotzdem auf Turbolader, NOx-Speicherkats und den ganzen anderen Chemiebaukasten verzichten, der andernorts heute nötig ist, um die Abgase zu reinigen.

Mit einer Systemleistung von 218PS geht es auf Wunsch durchaus stramm voran, wir haben beispielsweise auf der Autobahn einem – dem Geräusch nach zu urteilen sehr scharf gefahrenen – Z4 2.5i mit 192PS Reihensechszylinder ganz locker das Wasser abgraben können. Das der Motor dabei natürlich drehen muss ist klar, aber anstatt hier zu kritisieren überwiegt die Freude, wenn die Umdrehungen nach oben schnalzen und der Motor im absoluten Bestpunkt dafür sorgen darf, dass es zügig voran geht.

5.4 Liter auf 100km – eine Sensation

Das Ergebnis: wir sind nach 14 Tagen und über 2000 gefahrenen Kilometern auf einen Gesamtschnitt von 5.4 Litern Super auf 100km gekommen. Ohne Plugin-Zauberei, ohne fetten Akku-Gewichtsnachteil, ohne Technologie-Overkill. Einfach mit einem gut durchdachten, sauber abgestimmten Antriebssystem.

Dass der Camry obendrein extrem komfortabel fährt, einen wirklich bemerkenswerten Langstrecken-Federungs- und Sitzkomfort hat, mit einem üppigen Platzangebot auf allen Plätzen aufwarten kann und mit gut funktionierenden Assistenzsystemen zum Kunden kommt, rundet das Paket nur positiv ab.

Bleibt der Preis: für 39.900 EUR gibt es den Camry in Deutschland. Wer 42.390 EUR bezahlt, der bekommt die Executive-Variante mit allen Extras serienmäßig. Und wir fragen uns: warum hat Toyota Deutschland nur 500 Stück bestellt?

Als kleine Randnotiz zu bemerken gilt, dass 400 davon fix von Taxiunternehmen vorbestellt wurden. Dort schätzt man Qualität, Haltbarkeit und Effizienz. Tugenden, die derzeit kein Auto am deutschen Markt so einfach übertrumpft. Und das ist sicher das beste Kompliment, das man einem Auto aussprechen kann.

Technische Daten*

Modell: Toyota Camry Hybrid
Motor: Vierzylinder-Reihe, 2.487 ccm
Leistung: 178 PS (130kW)
Elektromotor Front: 88 kW und 202 Nm
Systemleistung: 218 PS (160 kW)
Systemdrehmoment: 221 Nm zwischen 3.600 und 5.200 U/min
Batterie: Nickel-Metall-Hydrid
Kapazität: 1,6 kWh (6,5 Ah bei 244,8 V)
Antrieb: Frontantrieb, Planetengetriebe
Verbrauch (WLTP): 4,4 l S /100 Km
Beschleunigung (0 – 100 Km/h): 8,3 s
Höchstgeschwindigkeit: 180 km/h abgeregelt
Abmessungen (L/B/H): 4,85 m/1,84 m/1,44 m
Gewicht: 1.595 Kg
Grundpreis: 39.990 Euro (42.390 EUR Executive)

*Herstellerangaben

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