Sparsamer Schwede: Volvo V60 Cross Country D4 im Test

Volvofahrer grüßen sich nicht gegenseitig auf der Straße. Das wäre wirklich untypisch. Viel zu gewöhnlich. Sie nicken sich allenfalls wissend zu. Mit einem überlegenen Grinsen im Gesicht. So, wie es der Besitzer des XC60 tat, als unsere beiden Schweden an der Zapfsäule frischen Diesel nachtankten.

Dieses überlegene Grinsen kennt man vor allem von früher. Als Volvo Fahren noch eine Sache war, für die man sich bewusst entscheiden musste. Zum Einen, weil man anders sein wollte als der Rest der Welt. Zum Anderen, weil man sich bewusst für ein besonders kantiges Auto entschied, das aber auch mit technischen Schmankerln wie den famosen Fünfzylinder-Turbobenzinern und einer sehr hohen passiven und auch aktiven Sicherheit glänzte. Und wie ist das heute?

Heute steht ein V60 Cross Country vor der Tür. Der Zusatz Cross Country ist für Volvo-Kenner nichts neues, gibt es ihn doch schon seit gut 18 Jahren. Er bezeichnet höhergelegte Serienmodelle, die mit Plastikbeplankungen rundum und zumeist Allradantrieb ausgestattet und somit auch für leichtes Gelände geeignet sind. Soweit so gut, doch Zeiten ändern sich bekanntlich. Mittlerweile sind chinesische Eigentümer ins Volvo-Haus eingezogen, das Design ist frischer und rundlicher geworden und die Fünfzylinder werden nach und nach durch Vierzylinder ersetzt – der Effizienz zuliebe. Und selbst auf den in dieser Klasse (leider) selten gewordenen Allradantrieb muss unser V60 verzichten. Da bringt ihm die Cross Country Optik also nur etwas auf dem Supermarktparkplatz.

Die Dieselversion D4 wird glücklicherweise auch als Fünfzylinder angeboten, dann aber nur in Kombination mit Allradantrieb und Sechsgangautomatik. Wer den Vorderradantrieb für ausreichend hält, bekommt auch nur den Schmalspur-Vierzylinder wahlweise als Sechsgang-Handschalter oder mit der Achtgang-Automatik von Aisin/Warner, die zwar weder durch besonders verschliffene Gangwechsel noch durch eine gelassene Gangwahl auf sich aufmerksam macht, aber zumindest durch ihr niedriges Drehzahlniveau (bei Tempo 160 liegen 2.500 U/min an) von sich reden lässt.

In seiner stärksten Ausbaustufe hält der Vierzylinderdiesel 190 PS und 400 Newtonmeter Drehmoment aus zwei Litern Hubraum parat und verhilft dem 1,7-Tonner damit zu vollkommen akzeptablen Fahrleistungen. Auf trockener Straße ist das Landstraßentempo nach gut acht Sekunden erreicht, die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 210 Km/h. Ihm fehlt dafür der kräftige Bumms des Fünfzylinders und dessen charmantes Schiffsdieselnageln erreicht er bei weitem nicht. Er reiht sich dafür nahtlos in die Schublade der kräftigen, aber emotionslosen Vierzylindermotoren ein, die es inzwischen bei fast jedem Hersteller gibt. Und ist die Straße nass, sind die Vorderräder trotz des hohen Gewichts mit der Leistung schnell überfordert. Durchdrehende Räder sind noch im dritten Gang bei Tempo 80 keine Seltenheit und zeigen arge Traktionsschwächen auf. Nicht nur der Geländeoptik wegen sollte also die Wahl auf den Allradantrieb fallen, der allerdings auf’s Gewicht und damit auch auf den Verbrauch schlägt: Den nur an den Vorderrädern angetriebenen V60 bewegten wir im Schnitt zwischen 5,5 und 7 Litern auf 100 Kilometern.

Das Fehlen von zwei angetriebenen Rädern macht sich auch bei schneller Kurvenfahrt bemerkbar. Bei engagierter Fahrt fällt der große Kombi schnell in ein unmotiviertes Untersteuern. Die Lenkung ist dafür feinfühlig und macht ihre Sache gut, das Fahrwerk ist angenehm straff und die Höherlegung fällt weder durch eine erhöhte Wankneigung noch durch ein Schwimmen negativ auf. Dafür kommt sie dem Fahrkomfort zugute. Auch über unangenehme Querfugen oder Kopfsteinpflaster rollt der V60 ruhig ab und vermittelt stets ein sicheres Gefühl. So kennt man das.

Bekannt ist auch der Innenraum des Cross Country, der sich vom Serien-V60 kaum unterscheidet. Bereits die serienmäßig verbauten Komfortsitze bieten eine gute Sitzposition und ordentliche Rückenunterstützung – wir würden dennoch zu den sehr guten Sportsitzen (ab 650 Euro i.V.m. Summum) raten, die dazu feiner vernäht sind. Selbst Großgewachsene finden dank der vielfachen Verstellmöglichkeiten immer einen perfekten Seitenhalt vor. Auch in der zweiten Sitzreihe lässt es sich gut lümmeln, sie überzeugt jedoch vor allem umgeklappt durch eine topfebene Ladefläche – einer der größten Vorteile gegenüber der S60 – Limousine. So lassen sich auch Möbelkartons bis zwei Meter Länge angenehm verstauen.

Volvotypisch überzeugen auch die aktiven Assistenzsysteme. Ob Totwinkelassistent, Spurverlassenswarnung oder Kollisionswarnung: Die Assistenten arbeiten angenehm im Hintergrund und machen nur auf sich aufmerksam, wenn es tatsächlich nötig ist. Und sie lassen sich abschalten, ohne dass gleich eine hysterische Warnmeldung folgt. Hysterisch könnte man allenfalls beim Preis für das Assistenzpaket werden, denn dieses lässt sich Volvo mit satten 2.150 Euro bezahlen. Die einzelnen Assistenzen kann man jedoch auch separat ordern.

Sein Geld nicht unbedingt wert aber für die meisten Fahrer inzwischen unverzichtbar ist das in die Jahre gekommene Sensus-Navigationssystem für 1.150 Euro. Zwar ist der kleine Bildschirm gut ablesbar, die Optik der Straßenkarte, die manuelle Eingabe per Drehrad und letztendlich auch die Reaktionsschnelligkeit steckt jedoch deutlich hinter der Konkurrenz zurück. Hat man den „Dreh“ einmal raus, funktioniert es aber zuverlässig und ohne Ausfälle. Auch die Anbindung von Smartphones per Bluetooth klappt problemlos und schnell.

Der V60 Cross Country D4 ist nicht mehr der Volvo, für den man sich bewusst entscheiden muss, weil man anders sein möchte. Denn er unterscheidet sich mit Vierzylinder und Vorderradantrieb nur noch in Nuancen von der Konkurrenz. Einerseits ein Kompliment für Volvo, andererseits ein Rückschritt in deren Eigenständigkeit. Deshalb: Kauft Euch den Fünfzylinder, solange es ihn noch gibt. Den Allrad gibt’s sogar kostenlos dazu. Auch der wissend grinsende Volvofahrer von der Tankstelle hat es so gemacht.

Technische Daten*:

Modell: Volvo V60 Cross Country D4
Motor: Vierzylinder Reihe, Bi-Turbo, 1.969 ccm
Leistung: 190 PS (140 kW) bei 4.250 U/min
Drehmoment: 400 Nm zwischen 1.750 und 2.500 U/min
Antrieb: Vorderradantrieb, wahlweise Sechsgang-Handschaltung oder Achtgangautomatik
Verbrauch (ECE): 4,6 l/100 Km
Beschleunigung (0 – 100 Km/h): 7,8 s
Höchstgeschwindigkeit: 210 Km/h
Abmessungen (l/b/h): 4,63 m/1,89 m/1,54 m
Gewicht: 1712 Kg
Grundpreis: 42.030 Euro (Ausstattungslinie Summum)

*Hersteller-Angaben

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