Driven: Opel Insignia Sports Tourer OPC

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Mit dem Insignia Sports Tourer OPC hat Opel einen echten Verführer auf den Markt gebracht, der den Fahrer nicht nur aufgrund seiner 325 PS und einer Spurtzeit von 6,3 Sekunden zum schnellen Fahren nötigt.Er ist das „Auto des Jahres 2009“, erhielt den „red dot design award“ und heimste zahlreiche nationale wie internationale Auszeichnungen ein. Über den Insignia wäre eigentlich alles gesagt – hätte Opel nicht die OPC-Variante seines Mittelklasse-Schlagers nachgeschoben. Die sportliche Limousine haben wir bereits getestet. Also höchste Zeit, dass wir uns auch den Sports Tourer OPC zur Brust nehmen – schließlich wecken ein 2,8-Liter-Turbo-Aggregat und stramme 325 PS in einem Kombi eine gewisse Erwartungshaltung.Der erste Kontakt gestaltete sich jedoch unaufgeregter als erwartet: Denn in ein dezentes Schwarz gehüllt, vermag der Sports Tourer OPC zumindest beim Blick auf die Front kaum aus der Masse der schwarzen Business-Limousinen hervorzustechen. Einzig zwei große Lufteinlässe in der Schürze – die mit viel Phantasie tatsächlich ein wenig wie die von Opel propagierten „säbelzahnartigen“ Reißzähne ausschauten – stellen unmissverständlich klar: Hier kommt Opels sportliches Flaggschiff. Also nichts wie rein und dem Performance-Kombi auf die Säbelzähne gefühlt.

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Doch zuvor müssen zwischen einer Flut von Schaltern, Drehreglern und Knöpfchen erst einmal Lenkrad und Schalthebel gefunden werden. Ist das geglückt, heißt es Zündschlüssel drehen, den wilden 325-PS-Kombi zum Leben erwecken und den von zwei brachial großen Auspuffblenden nach außen geprusteten Sound des brabbelnden Turbo-Motors erleben. Soweit die Theorie. Doch außer einem leisen Säuseln aus Richtung Motorhaube und einem eindringlichen Bimmeln, dass mich nachdrücklich auf den noch nicht angelegten Gurt aufmerksam machen will, herrscht Stille. Kein Brabbeln, kein Prusten. Nicht ein sportliches Tönchen kitzelt das Trommelfell. Erst der Tritt auf die Kupplung scheint die sportlichen Ambitionen des Rüsselsheimer zu fördern. Denn aus unerfindlichen Gründen wird die Geräuschkulisse beim Trennen von Motor und Antriebsstrang noch einmal deutlich angehoben. Das führt zwar zum einen dazu, dass endlich standesgemäße Töne aus der Remus-Anlage gedrückt werden, zieht zum anderen jedoch nach sich, dass nach Aufmerksamkeit gierende Piloten Standzeiten im Leerlauf mit permanent getreter Kupplung absolvieren müssen.

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Noch in tiefes Grübeln darüber versunken, warum der Wagen nur mit getretener Kupplung so klingt, wie ich das von einem Auto mit sportlichen Ambitionen eigentlich permanent erwarte, hätte ich dabei fast das wichtigste übersehen: ein kleines Tästchen mit OPC-Logo und Zielflaggendesign. Erst durch diesen unscheinbaren Knopf wird der OPC zum willigen Sprinter. Denn ist der Druckpunkt der Taste überschritten, scheint der Wagen seine Muskeln augenblicklich anzuspannen, als würde er die nun folgende Tempo-Orgie bereits antizipieren. Und das sorgt auch beim Fahrer für Veränderung. Vom nun nicht mehr weiß sondern aggressiv-rot illuminierten Tacho und dem spürbar zu allem bereiten Wagen angespornt, erhöhen sich Puls und die Sensibilität des Popometers, während der Gasfuß zeitgleich von einer bis dato unbekannten Schwere übermannt wird – rein technisch betrachtet ist dieser Vorgang zwar deutlich unspektakulärer, die nüchterne Analyse des Ablaufs liefert jedoch eine einfache Erklärung für die emotionalen Empfindungsregungen des Fahrers: Denn durch das Aktivieren des OPC-Modus schaltet das FlexRide-Fahrwerk blitzschnell in seinen härtesten Modus, das Gaspedal spricht deutlich schneller an und die ohnehin recht leichtgängige Lenkung wird noch eine Spur direkter. Beste Voraussetzungen also für jede Menge Fahrspaß –  und um den eigenen Führerschein in Rekordzeit für eine Rekordzeit zu verlieren.

Denn Letzteres macht der OPC einem besonders einfach. Durch das kaum an seine Grenzen zu bringende Fahrwerk samt eigens für die OPC-Varianten entwickelter Vorderradaufhängung mit „HiPerStrut“ (High Performance Strut = Hochleistungs-Federbein) – einer Weiterentwicklung der McPherson-Konstruktion des „normalen“ Insignia – wird die leichtgängige Lenkung weitgehend von störenden Krafteinflüssen entkoppelt. So lässt sich nicht nur schnell vergessen, dass man gerade gut zwei Tonnen um die Kurve schiebt, der Sport-Insignia überraschend auch mit dem oft beschworenen Go-Cart-Feeling. Keine Selbstverständlichkeit für einen Mittelklasse-Kombi. Und da Traktionsverluste dem OPC dank des hervorragenden adaptiven Allradantriebs mit elektronischem Sportdifferenzial gänzlich fremd sind, wird die vom Turbo-Aggregats zur Verfügung gestellte Leistung jederzeit verlustfrei in Vortrieb umgesetzt. Die Schattenseite: Aufgestellte Geschwindigkeitsrichtzeichen wirken auf den Fahrer so lediglich wie wohlgemeinte väterliche Ratschläge. Sie werden zur Kenntnis genommen, als „nicht zielführend“ klassifiziert und bereits am nächsten Kurveneingang wieder vergessen – schließlich stehen die unerhört kleinen Zahlen im Roten Kreis in einem krassen Missverhältnis zu dem nach Drehzahl gierenden Turbo-Aggregat.

Der OPC fordert im öffentlichen Straßenverkehr daher vor allem einen beherrschten Fahrer. Denn eines ist klar: wer 325 PS unterm Hintern hat, der will auch von 325 PS nach vorne katapultiert werden. Und genau da liegt die Miesere – und mithin die Gefahr für die Fahrerlaubnis. Denn trotz eines 2,8-Liter-Turbo-Motor mit 325 PS und einer Spurtzeit von lediglich 6,3 Sekunden ist der Insignia Sports Tourer OPC im unteren Drehzahlbereich zu schwach auf der Brust. Bis 3000 Umdrehungen sorgt jedes Zwei-Liter-Diesel-Aggregat zumindest subjektiv für mehr Vortrieb. Der Grund für die scheinbare Leistungshemmung: Die vollen 325 PS und das gesamte Drehmoment von immerhin 435 Newtonmetern liegen erst bei 5250 Umdrehungen an. Ohne Drehzahl läuft beim OPC entsprechend nichts. Doch was auf der Rennstrecke egal ist, stellt im Alltag ein Problem dar. Denn abrufen lässt sich die Leistung des erst bei 250 km/h abgeregelten Insignia OPC im Rahmen der StVO so nur auf der Autobahn. Innerorts und auf Landstraßen ist ein strammer Tritt des Sechszylinders ins Rückgrat des Fahrers hingegen stets ein untrügliches Zeichen für den unmittelbar bevorstehenden Verlust der Fahrerlaubnis. Denn bis der OPC die magische Umdrehungsgrenze von 5250 erreicht hat – und damit sein ganzes Potential ausspielt – ist die erlaubte Höchstgeschwindigkeit bereits lägst im Bereich eines mehrmonatigen Fahrverbotes überschritten.

Und das ist um so ärgerlicher, als der OPC sein akkustisches Potential erst unter Vollast gänzlich auspielt. Wird die Drehzahl bis kurz vor den Begrenzer gejagt, quittiert der Abgasstrang die beherzte Gangart mit einem infernalischen Brabbeln. Leider kommt von dem, was auf Außenstehende mitunter wie die akkustischen Ausläufer des bevorstehenden Weltuntergangs wirkt, innen nicht wirklich viel an. Schall-Isoliert vom Rest der Welt, wirken auf den Fahrer nur die vehement voreilende Tachonadel und die sich mit jeder Drehzahl enger an den Rücken schmiegenden Recaro-Sportsitze (1600 Euro) als Indikator für Vortrieb. Hier dürfte es gerne etwas mehr sein. Etwas weniger Stimulanz für das Trommelfell wäre hingegen im unteren Drehzahlbereich angebracht. Schaltfaules Fahren wurde im Testwagen zur Qual, so dass manch entspannte Tour durchs Mittelgebirge in einer Zerreisprobe für die Nerven endete – vor allem für die der Rückbänkler. Denn im Bereich zwischen 1800 und 2500 Touren hüllte der Testwagen seine Insassen in einen schier undurchdringlich-sonoren Klangteppich. Um dem zu entkommen, blieben nur zwei Möglichkeiten: Den Verbrauch vernachlässigen, runter schalten und mit erhöhter Drehzahl fahren oder den Lautstärkeregler des Soundsystems weit in Richtung Anschlag drehen. Entspanntes Gleiten sieht anders aus.

Mit dem akkustischen Setup des von uns gefahrenen Testwagen disqualifizierte sich der Insignia OPC als sportlicher Pampersbomber für junge Familien daher quasi von selbst. Leider. Doch gerade das ist die Paradedisziplin des langen OPC. Denn selbst in der härtesten Fahrwerkseinstellung bietet der Wagen einen überraschend hohen Komfort. Und dank ausreichender Beinfreiheit finden im Fond nicht nur zahlreiche Kindersitze Platz – auch Erwachsene können klaglos selbst lange Strecken überstehen. Und während das Kofferraumvolumen mit 540 Litern (maximal 1530 l) ausreichend Platz für Kinderwagen, Spielzeug und Reisegepäck bietet, lässt sich das Milchfläschen dank im Fond verbauter 230 Volt-Steckdose auch auf Überlandfahrten zubereiten. Dass die niederfrequente Geräuschkulisse den Alltagsnutzwert des Wagens dramatisch einschränkt, scheint auch Opel mittlerweile erkannt zu haben: Auf Rückfrage wurde uns versichert, das dieses nicht nur von uns als Problem empfundene Dröhnen bereits abgestellt wurde. Nach zahlreichen Beschwerden und internen Diskussionen hat man seinen Zulieferer Remus angehalten, die Abgasanlage derart zu modifizieren, dass das sonore Dröhnen – für Passanten weiterhin hörbar – im Innenraum ausgefiltert wurde. Wie gut das tatsächlich funktioniert, können wir nicht beurteilen, weshalb wir einfach davon ausgehen, dass das größte Manko des OPC damit beseitigt wurde.

Und auch wenn es sich bei sportlichen Modellen mit einer Leistung jenseits der 300 PS eigentlich von selbst verbietet, nach dem Verbrauch zu fragen, sei auch dieses Thema der Vollständigkeit halber noch erwähnt. Wie jeder Sportler braucht auch der Insignia OPC Kraftfutter. Im Idealfall Super Plus. Doch auch mit dem günstigeren Super gibt er sich dankbar und ohne Murren zufrieden. Im Mix beziffern die Rüsselsheimer den Durst des OPC mit 11,7 Litern. Das ist bei entsprechend zurückhaltender Gangart und niedrigtouriger Fahrweise auch durchaus zu erreichen. Wer das schafft, sollte zur Strafe jedoch umgehend aus dem Cockpit gezerrt und in einen Polo Bluemotion gesteckt werden. Wird der Wagen hingegen so bewegt, wie es einem Performance-Modell gebührt, werden im Alltag zwischen 14 und 16 Liter auf 100 Kilometer fällig. Das geht zwar ordentlich ins Geld – der so erworbenen Fahrspaß ist jedoch unbezahlbar. Und Hand aufs Herz: Wer rund 50.000 Euro für einen Mittelklasse-Kombi aufbringt, fragt nicht nach Verbrauch und CO2-Emission.

Alles in allem gibt es daher nur Gutes über Opels Flaggschiff zu berichten. So hat unser Testwagen nach rund 2000 absolvierten Kilometern jede Disziplin mit Bravour und ohne Mucken absolviert – ob als Großraumtaxi, Laminat-Laster oder flotter Kurven-Fresser. Lediglich das Leistungsdefizit im Drehzahlkeller (dass sich beim OPC noch über das Parterre bis in den ersten Stock erstreckt) schreit förmlich nach einer Anpassung des Drehmomentverlaufs. Insgesamt hat Opel mit dem Insignia Sports Tourer OPC jedoch einen durchaus sportlichen Reisekombi auf die Breitreifen gestellt, der zudem mit guter Verarbeitung und ansprechendem Design zu beeindrucken weiß. Und wären Front und Heck nicht vom Blitz-Emblem geschmückt, ich hätte so manches noch aus früheren Opel-Tagen gebrannte Kind nicht davon überzeugen können, das dieser schicke Kombi tatsächlich aus Rüsselsheim stammt. Mein Fazit: Chapeau!