Der Nischenflitzer: das BMW M235i Gran Coupé im Test

24 PS! Nur vierundzwanzig Pferdestärken liegen nominell zwischen zwei bayrischen Prachtkerlen, die wir kürzlich „back to back“ fahren durften. Und trotzdem sind es Welten, die diese beiden BMW Modelle trennen. Es sind unter anderem ihre Produktionsdaten. Fast acht Jahre liegen zwischen beiden und genau diese Zeitspanne zeigt auf, wohin sich die Bayrischen Motorenwerke entwickelt haben. Der 2020er Protagonist ist das brandneue BMW M235i Gran Coupé. Der andere Akteur ist von 2012 und hört auf den Namen 1M Coupé.

Doch halt! Das ist kein Vergleichstest, auch kein vom Leder ziehen zum Claim „sheer Driving Pleasure“. Es soll vielmehr der Versuch sein, zu klären, was man heutzutage wirklich braucht, um fahrdynamisch glücklich zu werden. Also ran an das 2er Gran Coupé.

Aber dann müssen wir eben doch auch über das Exterieur Design reden. Die kürzlich neu präsentierte Audi A3 Limousine und auch der aktuelle Mercedes-Benz CLA beweisen, Kompaktlimousinen müssen keine hässlichen Rucksack Ableger ihrer fünftürigen Genspender sein. Doch beim neuen 2er kommen wir ins Grübeln.

Warum ist da so viel Blech zwischen hinterem Radhaus und C-Säule? Warum ist der Hofmeisterknick nur noch zu erahnen? Und warum schaut das Gran Coupé am Heck so verkniffen drein? Die Antworten müssen sich der Leser selber suchen. Wir schauen nur mal kurz rüber zur Baureihe E82 und sinnieren leicht verzückt, dass speziell in der M Variante alles schon sehr wohl proportioniert ausschaut, ohne dass es zu dick aufträgt.

Das Design des BMW M235i Gran Coupé polarisiert, der Innenraum überzeugt

Doch bekanntlich ist Geschmack subjektiv und im Gegensatz dazu gibt es rein objektiv im Innenraum des 2ers wenig zu meckern. Die Materialanmutung setzt für diese Klasse sicherlich eine neue Messlatte, die Sitzposition ist angenehm tief und das Raumgefühl ist auch auf der Rückbank absolut ausreichend.

Nur ob das neue iDrive mit der kompletten Umstrukturierung der Menüs wirklich ein weiterer Schritt nach vorne ist, wagen wir zu bezweifeln. Da helfen auch das 10,25 Zoll große Touchscreen Instrumentendisplay und das digitale Cockpit mit all seinen Anzeigemöglichkeiten nicht.

Bekanntlich gilt BMW mit seinem iDrive als Erfinder des modernen Infotainment Bedienkonzepts, doch noch viel länger definiert sich die Marke über Freude am Fahren. Wie steht es also um die Fahrfreude im 4,53m langen Gran Coupé? Schließlich steckt in der Typenbezeichnung ein M und das hebt auch auch bei uns die fahrdynamischen Ansprüche auf ein Level, dass über ein „geht ganz nett ums Eck“ liegt.

Das neue BMW M235i Gran Coupé basiert, wie die meisten BMWs unterhalb des 3ers, auf der UKL2 Plattform, die bereits seit 2014 für im Einsatz ist. Einzig der M2 und seine zivilen Brüder sind noch die glorreiche Ausnahme. Die Entwickler wussten also genau, dass sie sich im Bereich Fahrdynamik damit auf schwierigem Terrain bewegen. Aus diesem Grund haben sie dem Spitzenmodell von Baureihe F44 ein xDrive mitgegeben, das bis zu 50 Prozent der Kraft an die Hinterachse leiten kann. Eine mechanische Torsen-Differenzialsperre an der Vorderachse und eine Radschlupfbegrenzung sollen die Traktion beim Herausbeschleunigen aus Kurven zusätzlich verbessern.

Und das tun sie auch richtig zackig. Trotzdem kommt – auch ganz ohne Brille der ewig Gestrigen – nicht so richtig die Freude beim Fahren auf. Das Gesamtpaket fühlt sich einfach nicht richtig BMWisch an. Sicherlich, beim Fahrwerk geben sich die Münchner keine Blöße. Der 2er bleibt lange neutral und der Allradantrieb weiß die konzeptionelle Schwäche gut zu kaschieren.

Doch leider wirkt die Lenkung sehr synthetisch und fördert nicht die Kurvengier. Erschwerend kommt natürlich noch ein Leergewicht von über 1,6 Tonnen dazu, das der 2,0l Vierzylinder mit 306 PS und 450 Nm in Bewegung halten muss. Das 8-Gang Automatikgetriebe unterstützt den Turbomotor dabei mit all seinem Können, doch übermotorisiert fühlt man sich in diesem M eigentlich nie. Dafür aber häufig leicht genervt, da der nach innen dringende Motorenklang doch sehr künstlich komponiert wirkt.

Fahrdynamik? Ja. Freude am Fahren? Bedingt.

 

Und da fällt der Blick wieder auf den 1er. Ja, der klingt gut, der hat auch einen Sechszylinder, aber im Vergleich nicht nur mit einen, sondern zwei Turboladern. Und ein manuelles Sechsgang Getriebe. Auf dem Papier beschleunigen beide exakt in der selben Zeit auf 100 km/h (4,9 Sekunden) und haben dieselbe limitierte Höchstgeschwindigkeit von 250 km/h. Trotzdem fühlt man sich mit dem wilden Heck, den 15 Zentimetern weniger Außenlänge und den rund 150 kg weniger Gewicht manchmal auch durchaus übermotorisiert. Kann aber auf die zurückgelegten Kilometer mit einem deutlich breiteren Grinsen blicken. 50.500 Euro hat der 1M damals gekostet. 51.900 Euro kostet der top 2er heute.

Fazit:

Doch zurück zur Ausgangsfrage: Mit dem M235i xDrive Gran Coupé beweisen die Münchner, dass man auch mit einem BMW auf Frontantriebsplattform sportlich unterwegs sein kann. Der dafür betriebene Aufwand ist beachtlich, das Ergebnis teuer (unser Testwagen lag bei über 60.000 Euro), die gebotene Performance ist uneingeschränkt Alltagstauglichkeit und auf jeden Fall mehr als ausreichend. Nur an der Intensität der Freude am Fahren könnten die BMW Entwickler nochmals nachjustieren. Das kann der erst kürzlich von uns getestete neue Focus ST einfach besser. Vom 1M ganz zu schweigen, aber dafür ist „Alltagstauglichkeit“ eher ein Fremdwort für ihn.

Technische Daten:

Modell: M235i xDrive Gran Coupé
Motor: Vierzylinder-Reihe, 1.998 ccm
Leistung: 306PS (225kW) bei 5.000 – 6.250U/min
Drehmoment: 450Nm ab 1.750U/min
Antrieb: Allradantrieb, 8-Gang Steptronic Automatikgetriebe
Verbrauch kombiniert (WLTP): 7,1l/100 Km
Beschleunigung (0 – 100 Km/h): 4,9 s
Höchstgeschwindigkeit: 250km/h
Abmessungen (L/B/H): 4,52m / 1,80m / 1,42m
Gewicht: 1.645kg
Grundpreis: 51.900 EUR

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