Mercedes-Benz

Mercedes-AMG C 63 S Coupé im Fahrbericht

Mercedes-AMG bleibt grob. Auch in Zeiten des Downsizings halten die Schwaben an dem V8 in der Mittelklasse fest. Und nach Limousine und Kombi wird mit dem Coupé jetzt die nächste Stufe gezündet. Die Zutaten sind also bekannt, das Ergebnis soll jedoch keine umgestrickte Limousine sein, sondern nichts anderes, als die sportlichste C-Klasse aller Zeiten. Am 5. Dezember 2015 steht das Coupé mit dem Baureihencode C205 beim Händler und wir haben uns vorab gleich auf die dickste AMG Variante gestürzt – die mit dem „S“ im Namen und fetten 510 PS.

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Wir erinnern uns, das alte C63 Coupé kam sehr spät, erst 2011 mit dem Facelift der Baureihe 204. Doch es kam gewaltig! Mit 457 PS in der Serie, mit 487 PS, wenn man das Performance Package dazuorderte, mit 507 PS in der wunderschönen „Edition 507“ und als absolute Krönung mit 517 PS als Black Series. Speziell die auf 600 Einheiten limitierte Top Version glänzte mit beeindruckender Rennstrecken Performance. 7:46 min ist angeblich die Rundenzeit für den freisaugenden V8 Bomber auf der Nordschleife.

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„Weniger Hubraum, mehr Turbo“

Wer manns genug ist und das ESP ganz ausschaltet, kann nach Herzenslust die 285er Walzen an der Hinterachse in Rauch auflösen.
Wer manns genug ist und das ESP ganz ausschaltet, kann nach Herzenslust die 285er Walzen an der Hinterachse in Rauch auflösen.

Und jetzt, vier Jahre später steht der Nachfolger vor uns. Mit 476 PS in der Basis und mit 510 PS als S-Modell hat sich leistungsmäßig auf dem Papier also nicht viel getan, doch das täuscht. Das Bessere ist bekanntlich der Feind des Guten und „besser“ heißt in diesem Fall: weniger Hubraum, mehr Turbo. In der Mitte des V8 zaubern jetzt zwei kleine Turbinen, die dem nur vier Liter großen Achtender ordentlich einblasen. Mit dem Ergebnis, dass bereits bei 1.750 U/min satte 700 Newtonmeter anliegen. Die Folge: mächtig Dampf in allen Lebenslagen und das ist durchaus wörtlich gemeint. Denn wer am AMG Dynamic Select Rändelrad das Fahrprogramm „Race“ in Kombination mit dem „Sport Handling Mode“ wählt, der darf schon ein wenig die Hinterräder qualmen lassen. Wer manns genug ist und das ESP ganz ausschaltet, kann nach Herzenslust die 285er Walzen an der Hinterachse in Rauch auflösen – spektakulär beim Burnout oder lustvoll beim Drift. Hier unterstützt das elektronisch gesteuerte Sperrdifferenzial, das die Kraft optimal zwischen den Rädern verteilt, überaus gekonnt.  Selten fühlten sich 510 Pferdestärken so beherrschbar an. Einfach per Gasstoß geschmeidig den Drift einleiten und gefühlvoll halten, bis sich das Coupé wieder in die gewünschte Fahrtrichtung ausgerichtet hat. Spitze!

„Fahrdynamik auf dem Niveau des Black Series“

Aber eigentlich ist ein kontrollierter Drift nicht die Idee für den Einsatz dieser aufwändigen Technik. AMG-Chef Tobias Moers verspricht für das jüngste AMG Mitglied vielmehr eine Fahrdynamik auf dem Niveau des Black Series der Vorgänger-Baureihe. Das ist durchaus eine Ansage und Bedarf einen kleinen Blick auf die Gewichtsangaben: Das Coupé konnte beim Generationenwechsel nicht von der Diät des Limousinen-Bruders profitieren und wiegt bis auf wenige Kilogramm exakt gleich viel, wie sein Vorgänger – und das sind eigentlich nicht mehr zeitgemäße 1.800 kg. Es sind fast 200 kg mehr, als der direkte Wettbewerber BMW M4 mit seinen 1.612 kg.

Auf der Rennstrecke Circuito Ascari schmelzen die fahrdynamischen Vorurteile, wie Eis in der herbstlichen Sonne Spaniens.
Auf der Rennstrecke Circuito Ascari schmelzen die fahrdynamischen Vorurteile gegenüber dem 1,8-Tonner, wie Eis in der herbstlichen Sonne Spaniens.

Die Affalterbacher Ingenieure mussten also kräftig zaubern, damit das Coupé zumindest der 70 Kg leichteren Limousine nicht nachsteht. Neben der im Vergleich zu W205 (Limousine) und S205 (T-Modell) leicht nachgewürzten Lenkung und Vorderachse, die beide mit hoher Präzision glänzen, sticht dabei vor allen Dingen die Hinterachse im wahrsten Sinne des Wortes ins Auge. Sie ist quasi eine Neukonstruktion mit neuem Hinterachsträger, neuen Radträgern, Uniball-Lagern und insgesamt steiferer Elastokinematik. Nur mühsam passt sie unter das elegante Blechkleid und lässt mit der verbreiterten Spur das AMG Coupé ganz klar zum optischen Gewinner in dieser Klasse mutieren.

Doch leider macht Optik einen bekanntlich nicht schneller – schon gar nicht auf der Rennstrecke. Aber nach den ersten Metern auf dem anspruchsvollen Circuito Ascari, auf dem wir das Power-Coupé ausgiebig testen durften, schmelzen die fahrdynamischen Vorurteile, wie Eis in der herbstlichen Sonne Spaniens. Das AMG Speedshift 7-Gang Sportgetriebe tickt nach dem Verlassen der Boxengassen schon kurz die dritte Welle ein, bevor sich die optionale Hochleistungs Bremse in die 402 Millimeter messenden Carbon-Keramik Scheiben verbeißt, um den Scheitelpunkt der ersten engen Links zu treffen. Danach heißt es, dass nach außen drängende Heck des 4,75 Meter langen Coupés beim Herausbeschleunigen schön an der Haftgrenze zu halten.

„In 3,9 Sekunden geht’s auf Tempo 100“

Die nächste Kurve macht dann klar: beim Anbremsen bleibt der C63 S herrlich ruhig und lästiges Untersteuern gehört nicht zum Programm. Da kommt wahrlich Fahrfreude auf. Untermalt wird das Ganze von einem markerschütternden Klang des Achtzylinders. Turbolader wirken wie Schalldämpfer? Nicht bei diesem AMG und auch das sagenumwobene Turboloch kennt der C205 nicht und macht mit linearem Schub klar: an den 3,9 Sekunden auf 100 km/h und den 290 km/h Spitze (wenn man das Driver’s Package ordert) muss man nicht zweifeln.

Viel Lob also für einen wahrlich dicken Brocken. Doch reicht der Aufwand, damit der C63 S in der Tracktool-Szene als M4-Fighter angenommen wird? Eher nicht, denn dafür fehlt eine optionale Diät, sowie ein Clubsport Paket. Dass AMG-fahren aber auch ohne solche Sonderausstattungen viel Freude bereitet und nicht gerade günstig ist, muss eigentlich nicht erwähnt werden. Bei 86.096,50 Euro geht der Spaß los und der Reifenhändler reibt sich dazu schon freudig die Hände.