Evocars

Ein Auto, ist ein Auto, ist ein Auto – Evocars auf der IAA 2017

Zugegeben: wir wussten ja eigentlich was uns auf der diesjährigen Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt erwarten würde. Unter dem Motto „Zukunft erleben“ soll es vordergründig um die Themen Elektromobilität und Autonomes Fahren gehen. Unsere persönlichen Stars der Messe fahren allerdings weiterhin mit fossilem Brennstoff und lassen sich vom Fahrer analog bedienen. Warum wir zudem der Meinung sind, dass sich das Messezeitalter allmählich dem Ende zuneigt erfahrt Ihr auf unserem ganz persönlichen Rundgang über die IAA 2017. Zugleich schieben wir aber eine Warnung voraus: Wer hier erwartet über jedes neue Modell und jede Marke etwas zu lesen, der kann sich die folgenden Zeilen ersparen.

Mini John Cooper Works GP Concept (2017)
Mini John Cooper Works GP Concept (2017)

BMW, Mini und Honda

Wie auf jeder Automesse in den letzten Jahren kommen die Hersteller mit allerhand visionärem um die Ecke. BMW zeigt das i Vision Dynamics Concept, Mercedes-Benz das EQA Concept und Audi präsentiert uns seine Vorstellung von der Zukunft in Form des Aicon Concepts. Alles schön und gut. Doch werden diese Modelle wohl nie, auch nur annähernd, in Serie gefertigt werden. Am ehesten können wir uns vorstellen, dass andere Fahrzeuge den Weg in die Produktion finden. Hondas Urban EV Concept oder Minis Electric Concept zum Beispiel. Eben kleine und finanzierbare Elektroautos für das innerstädtische Umfeld. BMWs x7 iPerformance SUV hingegen wirkt deplatziert und aus der Rolle gefallen. Wenn ihr in München schon einen großen Luxus-SUV bauen wollt, dann bitte endlich mit V12 und als Gegenspieler zum Bentley Bentayga positioniert. Bei Luxus-Coupés tut man sich südlich des Weißwurstäquators ja auch nicht so anstellen, wie der neue BMW 8er eindrucksvoll unter Beweis stellt.

BMW i Vision Dynamics Concept (2017)
BMW i Vision Dynamics Concept (2017)

Wir wollen ja nichts vorweggreifen: aber der 8er ist eine Wucht. Unser Messehighlight schlechthin. Eine wahre Reminiszenz an das Original aus den 1990er Jahren. Vielleicht kann der 8er teilautonom bewegt werden. Was wir hingegen sicher sagen können: der Hammer-V8 unter der langen Motorhaube brabbelt herrlich unvernünftig! Da können noch so viele umweltfreundliche Konzeptstudien herumstehen – richtig interessant wird es erst wenn solch ein emotionales Schwergewicht die Bühne betritt. Der BMW 8er zeigt aber zugleich das größte Problem der IAA 2017. Wenn ein solches Auto, das wir bereits seit mehreren Monaten kennen, unser Highlight ist, was machen dann die anderen Hersteller nur falsch?

BMW Z4 Concept (2017)
BMW Z4 Concept (2017)

Sie „teasern“, „sneaken“ und „previewen“ was das Zeug hält und berauben einer Automesse wie der IAA ihrer Reize. Auch BMW kann sich hiervon nicht ausnehmen. Die Konzeptstudie des neuen BMW Z4 beispielsweise war bereits bei ihrer Vorstellung in Pepple Beach ein alter Hut. „Geleaked“, schon am Vorabend der offiziellen Präsentation. Braucht man dann eigentlich noch so viele große Automessen? Nein, sagen sich Hersteller wie Volvo, Nissan oder Rolls Royce. Warum teuren Großveranstaltungen beiwohnen wenn man durch die hauseigene PR-Abteilung und einem Breitband-Internetanschluss weltweit viel mehr Menschen erreichen kann. Volvo zum Beispiel zeigt sich in Europa nur noch auf der Autoshow in Genf und gibt die klare Divise aus: eine Messe pro Kontinent ist ausreichend.

Honda Urban EV Concept (2017)
Honda Urban EV Concept (2017)

Kia, AMG und Audi

Durch das vermehrt auftretende Phänomen der Vorpremieren fehlen die wahren „Wow-Effekte“ und machen eine Messe mitunter langweilig und auf Dauer wenig begehrenswert. Kia’s Proceed Concept hätte solch ein „Wow-Effekt“ sein können. Wurde aber leider bereits im Vorfeld der Weltöffentlichkeit präsentiert. Ebenso wie das derzeit wohl am meisten diskutierte Konzept-Hypercar von Mercedes-AMG namens Project One. Aber die Autoindustrie wird schon wissen, was sie da treibt. Oder? Wir wissen für unseren Teil zumindest nicht, warum Audi seinen Fahrzeugen eine neue Nomenklatur verpasst und darauf auch noch stolz ist. Umringt von eifrig vermessenden und fotografierenden Chinesen präsentieren die Ingolstädter ihren neuen Audi A8. Groß, staatstragend und irgendwie verdammt langweilig kommt die Audi-Limo daher. Was tut man bloß, wenn man technisch alles erreicht hat?

Kia Proceed Concept (2017)
Kia Proceed Concept (2017)

Aus Verzweiflung Heckdeckelbezeichnungen ändern! Denn der neue Audi RS 4 ist es auch nicht, der uns zu begeistern vermag. Freilich: er ist ein verdammt schickes Auto! Die vier Auspuffrohre die in faustdicken Blenden enden sind ebenfalls nicht so billig ausgefallen wie bei manch anderer Konzernlösung (Fake-Auspuff Audi SQ5). Doch war er vorhersehbar. Ein Audi RS 5 im Avant-Dresscode. Bestens verarbeitet, hochwertig ausstaffiert und immer noch ganz schön schwer mit seinen 1.750 Kilo! Ein Paukenschlag wäre es gewesen, hätte man bei Audi einen Fünfzylinder-Turbo längs verbaut und den Wagen auf unter 1.500 Kilo gebracht. So ist der schnelle Avant beliebig austauschbar. Denn schnelle (und zu schwere) Mittelklasse-Sportler, als Limousine, Kombi und SUV, gibt es zu Hauf auf dieser Messe.

Audi RS4 Avant (2018)
Audi RS4 Avant (2018)

Volkswagen und Mercedes-Benz

Hinübergestolpert zu Volkswagen sehen wir viele Autos. Für unseren Geschmack zu viele. Ein Volkswagen ist dabei nur noch der Up, Ausrufezeichen! Unseretwegen auch als Up, Ausrufezeichen, GTI. Wer sich allerdings einen T-Roc, also einen Audi Q2 mit VW Logo, gewünscht hat wissen wir nicht. Den ID Buzz stellen die Wolfsburger ebenfalls aus. Als serienfremde Studie. Wenn es VW mit dem ID Buzz genau so handhabt wie Mercedes mit der neuen X-Klasse, dürfen wir uns auf was gefasst machen. Nein, positiv ist das leider nicht gemeint. Gäbe es, ähnlich wie in Hollywood, eine goldene Himbeere für das schlechteste Auto auf einer Messe – die X-Klasse wäre ganz vorne dabei. Nicht, weil diese ein schlechter Pickup ist. Sondern weil sie so verdammt einfallslos vom Nissan Navara adaptiert wurde. Das ursprünglich coole Konzept, das man Anfang des Jahres noch in Genf zur Show stellte, es wird nie gebaut werden.

Volkswagen T-Roc (2018)
Volkswagen T-Roc (2018)

Mazda

Raus aus dem Jammertal und ab zu Mazda. Mit einem Wort: sympathisch! So fällt der Auftritt der Japaner in Frankfurt aus. Effekthascherei gehört nicht zu den Stärken der fernöstlichen Autobauer. Dafür aber das Bauen von ziemlich guten Autos, die obendrein gut aussehen und die man sich im Zweifel sogar leisten kann. Der neue CX-5 vereint so ziemlich alle diese Vorteile und wird zukünftig im Teillastbereich nur noch mit zwei Zylindern herumfahren. An den 2,5 Litern Hubraum des benzinbetriebenen Vierzylinder-Topmodells hält man bei Mazda übrigens fest. So einfach kann Downsizing sein…

Subaru

Mindestens genau so taff präsentieren sich die Jungs und Mädels von Subaru. Es braucht nicht viel um einen Petrolhead glücklich zu machen. Manchmal reicht bereits ein facegelifteter Subaru WRX STI mit riesen Frittentheke und die Welt ist in Ordnung. Und da wären wir wieder bei unseren Messehighlights. Der WRX STI mag für viele nichts Besonderes sein – und gerade das macht ihn für uns so einzigartig. Sein 2,5 Liter Boxermotor weiß zu begeistern. Seine Einfachheit macht ihn beinahe für Jedermann erschwinglich. Und wer einen lässigen Allradkombi sucht, der findet nach wie vor den Levorg im Programm. Leider, leider weiterhin ohne STI Dampfhammer!

Subaru WRX STI (2018)
Subaru WRX STI (2018)

Dacia, Wey und Borgward

Auch wir von Evocars kommen in diesem Jahr nicht drum herum über den neuen Dacia Duster zu berichten. Der Einstiegs-SUV begeistert uns nicht weil er so toll ist. Sondern weil er so viel Zuspruch erhält! Das Gedränge am Dacia-Stand war, selbst für einen Pressetag, enorm. Zu sehen gibt es einen neuen, günstigen, Geländegänger der so spartanisch nicht mehr ist. Auf jeden Fall ist er besser als die Newcommer-Konkurrenz aus China. Bei den ausgestellten Wey-Modellen sind alleine die wahrgenommenen Ausdünstungen der Innenausstattung eine Zumutung. Der Zustand der Lederausstattung, am ersten Pressetag, ist zudem bezeichnend für die zu erwartende Qualität Made in China. Was eine gute Überleitung zu Borgward ist. Der deutsche Autobauer, der mit chinesischen Geldmitteln am Leben erhalten wird, plant mit dem BX5 und BX7 auch den deutschen SUV-Markt zu erobern. Ob dies klappt ist fraglich. Augenscheinlich hat man sich zumindest an Premiummarken wie Audis Q5 (erste Generation) orientiert.

Porsche und Alpina

Mit Porsche und Alpina beenden wir unseren Rundgang auf der IAA und müssen sagen: Manufaktur- bzw. Kleinserienprodukte unterscheiden sich nach wie vor deutlich vom großen Rest. Porsche präsentiert seinen fabelhaften 911 GT3 mit Touring Package und steuert so gegen die Spekulationswut beim 911 R an. Handgeschalten, ohne Turbolader und dennoch alltagstauglich katapultiert sich der GT3 „TP“ in die Herzen jedes Porsche-Fans. Dass im exklusiven Glaskasten, ein paar Meter daneben, ein 911 Turbo S Exklusive Series steht kümmert die Wenigsten. Doch sollte man gerade diesem 911 ein wenig mehr Aufmerksamkeit schenken. Zeigt er doch eindrucksvoll wie detailverliebt man in Zuffenhausen nach wie vor Autos bauen kann!

Porsche 911 Turbo S Exclusive Series (2017)
Porsche 911 Turbo S Exclusive Series (2017)

Ebenfalls bis ins letzte Detail hat uns der neue BMW Alpina D5 S gefallen. Der schnellste Seriendiesel der Welt konnte uns bereits als B5 überzeugen (einen Testbericht findet Ihr hier) und wird als Selbstzünder noch ein Stück weit attraktiver – für alle die nicht nur schnell, sondern auch noch vergleichsweise sparsam unterwegs sein wollen. Sein 388 PS und 800 Nm starker Tri-Turbo-Diesel rennt in heftigen 4,4 Sekunden auf 100, bevor er, als Limousine, bei 286 km/h sanft die Höchstgeschwindigkeit erreicht. Von diesem außergewöhnlichen Selbstzünder erfahrt ihr demnächst mehr bei Evocars!

BMW Alpina D5 S (2017)
BMW Alpina D5 S (2017)

Schlusswort

Unser Gesamtresümee fällt am Ende allerdings eindeutig aus: ein Auto, ist ein Auto, ist ein Auto! Was meinen wir damit? Anstatt aus einem Kfz immer mehr einen fahrenden Computer zu machen den sich keiner leisten kann, sollten Industrie und Politik ihren Fokus auf ganz andere Bereiche legen. New Mobility beginnt in den Köpfen der Ingenieure, Entwickler und Produktmanager. Doch scheint es schwieriger zu sein als gedacht, ein vernünftiges Konzept für die kommenden Jahre zu entwickeln. E-Mobilität, das sollte man sich mittlerweile eingestehen, ist im großen Rahmen nicht die Zukunft. Dafür wird alleine schon die marode Infrastruktur sorgen. Fahrzeuge müssen bereits bei ihrer Entstehung rohstoffschonender, am Ende des Fertigungsprozess vor allem leichter werden. Vielleicht wäre es auch sinnvoll Autos nicht im Monatszyklus zu erneuern, sondern länger zu fahren. Aber halt: das würde ja den Absatz schmälern. Und übrigens: Solange ein automatischer Scheibenwischer nicht intelligent wischen kann, solange sollte man weder eine Limousine und schon gar nicht einen Gefahrguttransporter autonom auf die Straße lassen. Denkt mal darüber nach.